"Eines der beliebtesten iranischen Frühstücke sind gekochte Schafsköpfe und -füße. Unter dem Namen Kaleh Pacheh werden sie in Lokalen serviert, die nur darauf spezialisiert sind, und mitunter bereits zwischen drei und vier Uhr morgens öffnen. Gegen sieben sind sie bereits von hungrigen Schafskopf-Liebhabern leergegessen worden. Iranische Eltern stampern ihre Kinder daher an besonderen Tagen extra früh aus dem Bett, um ja in den Genuss ihrer Lieblingskopfsuppe zu kommen. Die Köpfe und Füße werden über Nacht für etwa acht Stunden in einem aromatischen Sud gegart, dann ausgelöst und gemeinsam mit einer Schüssel der dampfenden Suppe serviert."

Foto: Tobias Müller

Als ich diese Geschichte zuerst vom Herrn Steininger, lieber Freund und Wurstfest-Veranstalter, erzählt und dann von einem Studienkollegen mit iranischen Wurzeln bestätigt bekam, war ich begeistert. Und noch begeisterter war ich, als ebendieser liebe Freund vorschlug, es einmal gemeinsam nachzukochen. Ich träume immer noch davon, eines Tages ein "Kopfbuch" zu schreiben (sind Verleger anwesend?) mit Rezepten von simpler Sulz bis zu gedämpftem Fischkopf mit fermentierten Sojabohnen.

Der Kopf ist und bleibt für mich der kulinarisch vielleicht beste, sicher interessanteste Teil des Tieres: Er bietet auf kleinstem Raum jegliche Art von Konsistenz, von weichem Fett über Hirn, Schmorfleisch bis hin zu knackiger Zunge, und er schmeckt stets besonders intensiv nach der Kreatur, zu der er einmal gehört hat.

Spottbillig in Europa

Weil das beim ausgewachsenen Schaf mitunter auch danebengehen kann, haben wir, etwas feig, zu Lammköpfen gegriffen. Außerdem sorgen einige Gewürze dafür, dass die Strenge des Schaf-/Lammgeschmacks umschmeichelt und weichgespült wird: Traditionell kommen (soweit ich weiß, Iraner, bitte posten!) Zwiebeln, Knoblauch, Zimtstangen und eine Portion Kurkuma in den Topf, wir haben unsere Kopfsuppe außerdem noch mit einigen Safranfäden geadelt – wir fanden das eine schöne Geste für ein Stück Fleisch, das bei uns oft so unterschätzt wird.

Die Chinesen, die generell mehr vom Essen verstehen als die meisten anderen Menschen, wissen Köpfe zu schätzen – er ist zum Beispiel stets der teuerste Teil des Fischs. In Europa hingegen haben Kopf-Connaisseure Glück: Ihr Lieblingsstück ist meist spottbillig, wenn nicht gar geschenkt zu haben. Ich habe für meine zwei Schafsköpfe samt drei Zungen (Füße gab's nicht, die werden bei uns nicht enthäutet) insgesamt sechs Euro gezahlt – für Bioqualität aus dem Burgenland. Das Fleisch daran war mehr als genug für vier Esser.

Nach kurzer Überlegung und aus logistischen Gründen haben wir uns entschieden, unser Kaleh Pacheh nicht zum Frühstück, sondern zum Abendessen zu verspeisen. Für Strenge: Ein Nachmittagsschlaf davor tut's auch.

Kaleh Pacheh – Gekochter Schafskopf samt Suppe für mindestens vier Esser

Das Rezept könnte fast nicht leichter sein: Es erschöpft sich darin, Zutaten in einen Topf zu packen, aufzukochen und lange stehen zu lassen. Der schwierigste Teil ist wahrscheinlich, die Köpfe zu besorgen – bestellen Sie sie rechtzeitig beim Fleischer Ihres Vertrauens. Ich musste außerdem die Zungen extra ordern, weil die normalerweise gleich nach dem Schlachten herausgeschnitten werden. Das Hirn hingegen sollte standardmäßig noch im Kopf sein: Öffnen Sie nach dem Kochen die Schädeldecke (Hammer, Zange, schweres Messer ...) und holen Sie es heraus.

Geben Sie Ihre Köpfe in einen Topf, bedecken Sie sie mit kaltem Wasser und lassen Sie alles einmal aufkochen, dann gießen Sie die trübe, schaumige Brühe ab und waschen die Köpfe einmal ordentlich unter kaltem Wasser. Das sorgt dafür, dass Ihre Suppe später klar(er) bleibt.

Foto: Tobias Müller

Bedecken Sie die Köpfe im Topf erneut mit Wasser, salzen Sie kräftig und geben Sie eine Zimtstange, zwei Löffel gemahlen Kurkuma, einige Safranfäden, etwas Thymian, Petersil und Lorbeerblatt hinzu.

Foto: Tobias Müller

Lassen Sie es aufkochen und drehen Sie die Hitze auf niedrig, sodass das Wasser gerade siedet. Bedecken und sechs bis acht Stunden ziehen lassen. Zwei Stunden vor Ende der Garzeit die Zungen zugeben, eine Stunde vor dem Ende eine große geviertelte Zwiebel und drei, vier angequetschte Knoblauchzehen hineinwerfen.

Kurz vor dem Genuss die Köpfe aus der Suppe nehmen und kurz abkühlen lassen. Die Suppe abseihen und zur Seite stellen. Wenn Sie den Kopf einigermaßen angreifen können, alles Fleisch herunterpflücken – es ist erstaunlich viel (Handschuhe helfen hier!).

Foto: Tobias Müller

Nach acht Stunden Kochzeit ist generell alles an dem Kopf essbar, was Sie kauen können und wollen – inklusive der Augen mit ihren saftigen Muskelsträngen. Ich habe Auge das erste Mal in Mosambik gegessen, von einem Ziegenkopf in scharfer Tomatensauce, der aber nur etwa drei Stunden gegart worden war. Es war gummiartig und nicht genüsslich zu essen. Die Augen unserer Schafsköpfe hingegen waren weich und kaum von zartem Fleisch zu unterscheiden.

Foto: Tobias Müller

Das Fleisch und die Suppe in zwei separate Schüsseln geben und servieren – zusammen mit Brot, gehackten Kräutern (Petersil, Koriander ...) und jeder Menge Zitrone zum Übers-Fleisch-Quetschen. Einige scharf-frische Salate (Radieschenblätter, wilder Rucola) schaden bei all dem Fett auch ganz und gar nicht. (Tobias Müller, 11.6.2017)

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