Damaskus – Die entscheidende Offensive zur Vertreibung der IS-Miliz aus ihrer syrischen Hochburg Raqqa hat begonnen. Von den USA unterstützte Rebellen-Einheiten hätten einen Bezirk im Osten Raqqas angegriffen, teilte die der Opposition nahestehende Beobachterstelle für Menschenrechte am Dienstag mit. "Es hat heute im Morgengrauen begonnen", sagte der Direktor der Beobachterstelle, Rami Abdulrahman, der Nachrichtenagentur Reuters. Auch ein Militärstützpunkt im Norden Raqqas sei attackiert worden. Der Sprecher der arabisch-kurdischen Rebellenallianz Syrische Demokratische Kräfte (SDF), Talal Silo, sagte, der Kampf zur Befreiung Raqqas habe bereits am Montag begonnen.

Der Beobachtungsstelle zufolge waren zuvor bei einem Luftangriff der US-geführten Militärkoalition in Raqqa 21 Zivilisten getötet worden. Die Menschen seien getroffen worden, als sie auf dem Fluss Euphrat in kleinen Booten vor der IS-Miliz fliehen wollten. Unter den Opfern seien auch Frauen und Kinder.

Die Zahl der Todesopfer könne noch weiter steigen, da mehrere Verletzte in kritischem Zustand seien, berichtete die in Großbritannien ansässige Beobachtungsstelle weiter. Die oppositionsnahen Aktivisten stützen sich auf ein Netzwerk von Informanten vor Ort. Von unabhängiger Seite sind ihre Angaben kaum zu überprüfen.

Flucht über den Euphrat

Auch die Aktivistengruppe "Raqqa is Being Slaughtered Silently" (etwa: Raqqa wird schweigend abgeschlachtet) berichtete über den Luftangriff. Dabei seien Menschen getroffen worden, die den Fluss überqueren wollten. Zivilisten würden verstärkt versuchen, in kleinen Booten über den Euphrat zu fliehen, nachdem die beiden größten Brücken, die aus der Stadt führen, zerstört worden seien. Nach Koalitionsangaben sind bereits 200.000 Menschen aus der Stadt geflohen.

Die von den USA angeführte Koalition unterstützt seit dem vergangenen November die SDF bei ihrem Versuch, Raqqa einzunehmen. Auch russische Kampfflugzeuge flogen zuletzt eine Serie von Angriffen auf IS-Kämpfer auf dem Weg von Raqqa nach Palmyra.

Mehr zivile Opfer

Nichtregierungsorganisationen beklagen, dass es in jüngster Zeit vermehrt zivile Opfer bei den Einsätzen der Koalition gebe. Die Vereinten Nationen riefen Ende Mai eindringlich zu einem besseren Schutz von Zivilisten vor Luftangriffen gegen die IS-Jihadisten in Syrien auf. "Alle Staaten", die derartige Einsätze flögen, müssten "viel sorgfältiger darauf achten, zwischen legitimen militärischen Zielen und Zivilisten zu unterscheiden", erklärte UN-Menschenrechtskommissar Zeid Ra'ad Al Hussein.

Die Zahl der zivilen Opfer durch Luftangriffe der von den USA geführten Koalition erreichte laut der Beobachtungsstelle zuletzt einen neuen Höchststand. Zwischen dem 23. April und dem 23. Mai dieses Jahres seien 225 Zivilisten getötet worden, darunter zahlreiche Kinder. (APA, Reuters, 6.6.2017)