Es ist nicht das erste Mal, dass Saudi-Arabien harte Bandagen anlegt, um Katar auf Kurs zu bringen, aber diese Form der Eskalation ist neu: Abberufene Botschafter kann Doha verkraften, eine Blockade der Handelswege und ein wirtschaftliches Embargo mehrerer Staaten des arabischen Golfkooperationsrats (GCC) plus Ägypten und einigen anderen tun auch dem reichen Emirat weh.

Saudi-Arabien, gestärkt durch den erneuerten Status als wichtigster arabischer Verbündeter der USA, fühlt sich berufen, Katar unter eine Art politische Vormundschaft zu stellen: Das Emirat soll nicht länger aus der Reihe tanzen, indem es innerhalb des GCC seine völlig eigenständige Politik macht. Deren Sinn war es stets auch, sich vom übermächtigen wahhabitischen Nachbarn abzuheben und unabhängig zu halten. Die Essenz dieser Politik ist, positiv formuliert, alle Kanäle offen zu halten: von den USA über den Iran zu den Taliban, von der Türkei über die Muslimbrüder und die Hamas bis zu Israel. Aber in der Praxis wird das oft problematisch.

Doha hat zwar am Wochenende einige Hamas-Mitglieder ausgewiesen, aber das konnte Saudi-Arabien und jene Länder, die die harte Linie mittragen, nicht mehr besänftigen. Die Sache mit den Muslimbrüdern – die Hamas ist der palästinensische Muslimbrüder-Ableger – stellt sich aus der Sicht der Katar-Kritiker so dar: Nicht nur, dass die Muslimbruderschaft eine revolutionäre islamistische Bewegung ist, die die konservativen sunnitischen Monarchien und das ägyptische System kippen und die Macht in Libyen will. Die Ikhwan sind laut Saudis auch ein Verbindungsglied zur Islamischen Republik Iran.

Und um den Iran und seinen Einfluss in der Region geht es bei diesem Konflikt vor allem, wie der Riad-Gipfel mit US-Präsident Donald Trump vor zwei Wochen unmissverständlich klargemacht hat. Katar teilt sich mit dem Iran ein Gasfeld im Persischen Golf und hat, wie übrigens auch Oman, nie eine total konfrontative Linie gegen Teheran unterstützt.

In den arabischen Umsturzländern versuchte Katar nach 2011 die politischen Transformationsprozesse zu beeinflussen, und der natürlich ganz und gar nicht unabhängige TV-Sender Al Jazeera wurde, von Riad aus betrachtet, zum Organ der Opposition gegen die gottgewollte Ordnung in der arabischen Welt. Aus Katar-nahen Medien kommen auch immer wieder Berichte über die – oft proisraelischen – Ränke des Botschafters der Vereinigten Arabischen Emirate in Washington und die Machtbesessenheit des saudischen Königssohns Mohammed.

Nach dem Zerwürfnis 2014 dauerte es mehr als zehn Monate, bis der katarische Emir Tamim bin Hamad Al Thani seinen Canossagang nach Riad angetreten hat. Wie damals bemüht sich Kuwait um Vermittlung, und auch die USA versuchen zu kalmieren: Nicht nur, dass sie in Katar ihre größte Militärbasis im Nahen Osten haben. Sie stecken tief im Krieg im Irak, dessen schiitisch geführte Regierung sich, vor die Wahl gestellt, für Katar entscheiden würde.

Ein weiterer diplomatischer Verlierer ist die Türkei, die 2016 in Katar einen Marinestützpunkt eröffnet hat. Auch die türkische Regierung hat ja wegen ihrer Nähe zu den Muslimbrüdern ein schwieriges Verhältnis zu deren Gegnern. Da wundert es auch nicht mehr, dass Katar Gerüchte streut, dass die Vereinigten Arabischen Emirate hinter dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 standen. Man bleibt einander nichts schuldig.(Gudrun Harrer, 5.6.2017)