Seit 1. April wird am Meidlinger Markt gebacken: Mark Ruiz Hellin betreibt die Konditorei Hüftgold. Jede Woche probiert er ein neues Rezept aus.

Foto: Regine Hendrich

Wien – Zwei Faktoren, die zusammengekommen sind, haben im Leben von Mark Ruiz Hellin für eine Wende gesorgt. Der Fan von Kuchen und Gebäck war es leid, in jeder Bäckerei und jedem Lebensmittelgeschäft ähnliche Ware aus denselben Fertigteigen zu finden. "Alles nicht gut", sagt Hellin. Hinzu kam, dass er von seiner Tätigkeit als Werbefachmann zunehmend gefrustet war. "Es ging oft nur darum, wie man den Kunden am besten veräppelt, und nicht mehr um Inhalte", blickt Hellin zurück. Die Werbewahrheit habe ihm zunehmend gefehlt. Jetzt steht er an der Kaffeemaschine in seiner Konditorei, der "wahrscheinlich kleinsten in Wien".

Mit "Hüftgold" ist der Ex-Werber seiner Leidenschaft gefolgt. Wieder waren es mehrere Faktoren, die im Zusammenspiel die Eröffnung der Konditorei am Meidlinger Markt ermöglicht haben. Ein zum Verkauf stehender Stand, eine Partnerin, die bereits als Konditorin aktiv ist, ein letztes Werbeprojekt, das die Finanzierung sicherstellte. Der Moment hatte gepasst, und schnell war klar: "Jetzt ziehen wir es durch." Denn schon zwei Mal war Hellin knapp daran gewesen, ein Geschäft zu eröffnen. Aber irgend etwas hatte letztlich immer nicht gepasst. Bis der Stand in Meidling ausgeschrieben war.

Große Herausforderung

Die Umsetzung war dennoch eine Herausforderung. Alle Vorgaben von freien Wegen, Abluftsystem und Ähnlichem auf dem 26 Quadratmeter kleinen Stand unter einen Hut zu bringen hat Nerven gekostet. Die Anweisungen vom Marktamt, der Gewerbeordnung und des Hygieneamts passten oft nicht zusammen. Dennoch wurde mittlerweile für alles eine Lösung gefunden. Eine leichte Zeit war die Umsattelung nicht. "Oft habe ich mich gefragt, wie Leute das mit den vielen Verordnungen und Behördenwegen hinbekommen, die nicht Deutsch als Muttersprache haben", fasst Hellin zusammen.

Zuerst wollte man am Markt nur Kuchen verkaufen. Mittlerweile gibt es ein paar Sitzplätze für Gäste zum Verweilen und Kaffee. Auch zum Thema passende Nebenprodukte, etwa eine selbstgemachte Kakaocreme, werden angeboten. Weil fast alle Torten live gebacken werden, sehen die Kunden auch gleich, was möglich ist. Mit Motivtorten ist das Hüftgold bereits auf Wochen ausgebucht. Die Kreationsmöglichkeiten sind vielfältig: vom Todesstern aus "Star Wars" bis zur blumenverzierten Tauftorte.

Bringdienst geplant

Mit der Kundenfrequenz liegt das Hüftgold laut eigenen Angaben derzeit beim Vierfachen dessen, was man als Best-Case-Szenario angedacht hat. Weil die Leute bereits zu rund 80 Prozent Produkte bestellen bzw. für die Jause im Büro oder daheim mitnehmen, ist ein "Bringdienst" in Planung. Erst habe man einen Radius von einem Kilometer vom Stand aus gesehen geplant gehabt. Es habe sich aber gezeigt, "dass wir gar nicht so viel backen könne, wie nachgefragt würde". Daher wird mit einem kleineren Radius von 250 Metern gestartet.

Und wie steht es um die Wahrheit der eigenen Produkte? Hellin betont, dass alle Kuchen selbst angerührt würden. Fertigmischungen gebe es nicht, verwendet würden nur frische Produkte. "Das Geheimnis des guten Geschmacks ist oft nur, dass die Dinge frisch zubereitet werden", sagt Hellin. Und: Bisher seien noch nie Reste übriggeblieben, die weggeschmissen werden mussten.

Um die Kunden zu überraschen, wird jede Woche ein neues Rezept umgesetzt und variiert. Ein besonderer Leckerbissen wartet auf Naschfreunde zur Wachauer Marillenernte. Denn dem Hüftgold wurde das Originalrezept des Marillenkuchens übergeben, den ehemals die Köchin für die Kindermenüs und Bäckereien des Kaisers angerührt hatte. Und da dürfen nur original Wachauer Marillen rein.

Hat Hellin Angst, dass ihm ob des raschen Erfolgs eines Tages die Lust aufs Kuchenbacken vergeht? "Über diese Brücke gehen wir, wenn wir da sind", sagt er. Ist er im neuen Job nun zufrieden? "Nein", sagt Hellin. "Jetzt bin ich glücklich." (Bettina Pfluger, 6.6.2017)