Sänger Ross Leighton von der Band Fatherson.

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Die Schmutzkis.

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John Corabi, Sänger von The Dead Daisies.

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Grosstadtgeflüster, im Bild: Keyborder und Sänger Raphael Schalz sowie Sängerin Jen Bender.

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Stefanie Kloß von Silbermond.

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Einer von den vier Fellowills aus Tennesse, die zusammen die Kings of Leon sind: Caleb.

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Wien – "Fake News" steht auf den Eintrittsbändern für Medienvertreter. Bloß ein gewitztes Trump-Späßchen? Eine Erinnerung an das Berufsethos? Nicht gemeint ist damit höchstwahrscheinlich der ob des Line-Ups weithin monierte Etikettenschwindel als Rock-Festival. Oder dieses Flunkern: weder rund noch glänzend, sondern weiß und zackig prangte am zweiten Festivaltag ein Stern im Bühnenhintergrund beim Auftritt der Band Silbermond. Als Frontfrau Stefanie Kloß ihr Publikum um halb acht begrüßte, legte sich schon dankenswert kühler Schatten auf die Meter vor der Bühne.

Eins von jeder Sorte

Davor waren u. a. Fatherson aufgetreten. Die Schotten Ross Leighton, Marc Strain und Greg Walkinshaw eröffneten den Samstag beim "Rock in Vienna" mit alternative Rock trifft Pop. Nicht zu harte Sounds mit sensiblen Gefühlen. Vorsichtig ist beim Konstanzer Trio Schmutzki, das ihnen nachfolgte, dagegen nichts. "Wir sind krass, obwohl wir keine Tattoos haben" oder "Spackos forever" besagen ihre Verse.

Dann kamen The Dead Daisies aus Australien. Seit Gründung der spätberufenen Band 2012 pflegt deren Hard Rock einen solchen Verschleiß, dass nur mehr ein Mitglied der Originalbesetzung in Wien auftreten konnte. Dafür bekam der Early-Bird-Ticket-Käufer in etwa das Erwartete. Die deutschen Elektropopper Grossstadtgeflüster leiteten über zu den Veteranen des Abends: 2003 gegründet, haben sie damit ihren Vorspielern etwa je zehn Jahre Berufserfahrung voraus. Dem Namen entgegen kein bisschen leise, geben sich die drei auch sonst textoriginell.

Polo- statt Band-Shirts

Unterschiedlicher hätte der Tag also nicht verlaufen sein können, als Kloß in die Runde fragte: "Wer sieht heute Silbermond zum ersten Mal live?" Und ein Gutteil der Hände ging hoch. "Ist doch toll, so habt ihr die Chance, wohin zu gehen, wo ihr sonst vielleicht nicht hingekommen wärt!"

Bei nahezu mehr Polo- als Band-T-Shirt-Trägern im Publikum funktionierten die von der Bühne aus vorgemachten Scheibenwischerarme reibungslos. Kloß erwähnte den Terroralarm beim deutschen "Rock am Ring"-Festival und fad es geil, hier zu stehen, wo "alles safe und alles cool" sei, und spielte dann "Krieger des Lichts". Dazu rollte sich im Publikum ein Wuo-o-wuo-o-Mitsingteppich aus, warm und weich. Textzeilen wie "Sag mir, dass dieser Ort hier sicher ist, und alles Gute steht hier still" oder "Gib mir ein kleines bisschen Sicherheit" taten ihr Übriges.

Die Lederjacke lässt man Kloß gerade noch durchgehen. Aber die Schnitte in ihren Hosen unterhalb der Knie waren beinah schon Pose. So unkaputt ist diese Band, sind deren Lieder! Pop zur Beschwörung des Guten und Weltverbesserung. Mit "Indigo, tief blau und tief glücklich" drehte der Himmel hinter der Bühne bei bester Publikumsstimmung dann ins Abendorange.

Unersetzbar, wenn's drauf ankommt

Voll wurde das überschaubare Gelände auf der Donauinsel dann erst zum Headliner des Abends: den Kings of Leon. Mit aufwendiger Show und vielen alten Nummern beehrte das Familienprojekt aus Tennesse das atypische Festivalvolk: keine Spuren von Camping und Kotze. Mit jedem Song änderten sich nicht nur die Visuals, sondern auch die Gitarren. Da blühten im Hintergrund auf der Videowall riesige Orchideen auf, wurden Fingernägel lackiert, ragten Palmen in orange Himmel...

Bei Wortspenden war der bär(t)ig verwachsene Frontmann Caleb Followill sparsamer. Die waren aber ohnehin nicht notwendig. "So good to be here. Let's gonna have some fun", sagte der eine von vier Followills. "Sex on fire" folgte und nie davor und danach während des Auftritts wurden mehr Handys in die Höhe gereckt, um Videos zu verwackeln. Darauf folgte mit "Walls" vom jüngsten gleichnamigen Album die langsamste Nummer und nun fanden die guten alten Feuerzeuge den Weg aus den Hosentaschen in die Höhe. Unersetzbar durch eine App dann, wenn’s wirklich drauf ankommt.

Eineinhalb Stunden lang fehlte kein Hit: "Radioactive", "Closer", "Use Somebody"... Kommerzvorwurf hin oder her, es war gut so. Nach getanem Werk warf Drummer Nathan Followill seine Sticks ins Publikum. Die Schönheit einer Menschenmenge, die alle ihre Kauf- und Aggressivkraft ins Klatschen, Jubeln und Tanzen verschwendet – nichts Böseres soll uns geschehen! (wurm, 4.6.2017)