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Salman Abedi, der Attentäter von Manchester, wollte offenbar nicht nur möglichst viele junge Menschen töten, sondern hatte auch den Lebensstil und die Vergnügungskultur der Europäer im Visier. In Großbritannien ist ihm das nicht gelungen: Als Zeichen des Widerstandes will Ariana Grande erneut in Manchester für ein Benefizkonzert auftreten.

In Deutschland haben Terroristen und ihre Sympathisanten ein leichteres Spiel. Dort werden Karnevalumzüge, Sportereignisse und Musikfestivals abgesagt oder abgebrochen, sobald die Polizei Hinweise auf eine Terrorgefahr erhält. Und noch nie hat es ein so großes Ereignis getroffen wie bei der Unterbrechung von "Rock am Ring" am Freitagabend. Wieder einmal hat sich der Terrorverdacht nicht erhärtet, aber wieder wurden Tausende um ein schönes Erlebnis gebracht.

Nur kein Risiko eingehen

Die Polizei sagt, sie musste auf Grund der erhaltenen Hinweis handeln. Die Bundesregierung unterstützt diese Vorgangsweise und folgt dabei der Maxime, dass die Sicherheit der Besucher über alles geht. Doch wenn man diese Logik zu Ende denkt, dann darf in Zukunft kein öffentliches Großereignis in Deutschland mehr stattfinden. Vor Terror ist man nie gefeit.

Und damit spielt man den Terroristen in die Hände. Sie müssen gar keinen Sprengsatz bauen oder sich gar selbst in de Luft sprengen. Es reichen ein paar halbwegs glaubwürdige Drohungen, damit ein populäres Kulturereignis nicht stattfindet.

Verdachtsmomente nicht erhärtet

Zumindest bisher ist kein Fall bekannt, wo eine Absage Menschenleben geschützt hat. Weder beim Karnevalsumzug in Braunschweig 2015, noch beim Radrennen in Hessen oder beim Länderspiel gegen die Niederlande im gleichen Jahr haben sich die Verdachtsmomente erhärtet – wie auch jetzt am Nürburgring.

Und wenn tatsächlich ein Anschlag gegen das Publikum geplant wäre, dann bliebe das Risiko auch bestehen, wenn die Zuschauer mittendrin zum Verlassen des Veranstaltungsortes aufgefordert werden. Auch in Manchester explodierte die Bombe außerhalb der Arena und tötete jene, die nach Hause gehen wollten.

Erpressbar und verwundbar

Deutschland ist das einzige Land, wo es regelmäßig zu solchen Absagen kommt. Anderswo reagiert man mit verschärften Kontrollen. Kaum jemand traut sich, die deutsche Politik offen zu kritisieren, denn das Sicherheitsdenken ist sakrosankt. Aber als Folge macht sich Deutschland erpressbar und verwundbar durch die Feinde der offenen Gesellschaft.

Eine Diskussion über den Umgang mit Terrordrohungen wäre dringend notwendig. Die Entscheidung lokalen Behörden zu überlassen, die nur ja kein Risiko eingehen wollen, weil sie auch persönliche Konsequenzen fürchten, ist falsch. Es ist Zeit für eine klare Botschaft von ganz oben, am besten von Kanzlerin Angela Merkel: Wir lassen uns von unseren Feinden nichts diktieren, wir knicken vor ihnen nicht ein. Wenn sie mit Terror drohen, dann kontrollieren wir scharf, aber wir singen und spielen weiter. (Eric Frey, 3.6.2017)