Wien/Washington – Die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen, löst unter Klimaforschern wie erwartet Kopfschütteln aus. Während der Direktor der Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber, die USA nun als unglaubwürdig erachtet und das "endgültige Ende des amerikanischen Jahrhunderts" gekommen sieht, spricht der Wiener Klimaforscher Helmut Haberl von den USA als "lebendem Fossil".

Keine Technologie mit Zukunft

Studien unter anderem aus den USA zeigten nämlich, dass Länder wirtschaftlich umso besser dastehen, je schärfer ihre Umweltauflagen und -standards seien, weil es dort deutlich mehr Innovation gebe, so Haberl, der am in Wien ansässigen Institut für Soziale Ökologie der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt forscht. "Jetzt aus dem Klimaabkommen auszusteigen und ein uraltes Energiesystem basierend auf Kohle, Erdöl und Fracking aufrechterhalten zu wollen, ist innovationsschädlich und wird die USA beim technischen Fortschritt deutlich abhängen", erklärte er.

Klima hin oder her – fossile Energien seien keine Zukunftstechnologie, denn die Ressourcen wären früher oder später erschöpft. "Wer als erstes gute neue Strukturen aufbaut und neue Technologien findet, wird meiner Meinung nach die Nase bald vorne haben", sagte Haberl. Die anderen Länder sollten daher mit dem Klimaschutz weitermachen und sogar ihre Anstrengungen intensivieren. "Dann bleiben die USA als lebendes Fossil im wahrsten Sinn des Wortes übrig", so der Klimaexperte.

Hoffen auf die anderen großen Player

Eine große Katastrophe bezüglich des Klimawandels wäre es, wenn die anderen Unterzeichner des Pariser Abkommens nun sagen, dass weitere Anstrengungen ohne die USA keinen Sinn machen, erklärte Haberl. Das sei aber unwahrscheinlich. Schellnhuber indes glaubt, dass es dem Klimaschutz unterm Strich sogar nutzen würde, wenn China auf dem Pariser Weg bleibt und mit verstärkten Anstrengungen eine neue Dynamik auslöst.

Holger Rogner vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse in Laxenburg bei Wien meinte: "Andere Länder mit massiven CO2-Emissionen werden ihre Position bezüglich des Pariser Abkommens überdenken, aber ein radikales Umschalten ist unwahrscheinlich." Zum Beispiel China und Indien hätten enorme Probleme mit der Luftqualität und die Verbrennung von Kohle daher stark beschränkt. Auch die EU würde wohl das Pariser Abkommen weiter voll umsetzen.

Selbst in den USA würde das Ausscheiden aus dem Klimaabkommen den bereits eingeschlagenen Weg nur bedingt beeinflussen. "Bundesstaaten wie Kalifornien werden ihre lokalen Umweltgesetze nicht von Washington aufweichen lassen", so Rogner. Kohle würde schon deshalb kaum revitalisiert, weil Gas viel billiger ist und markante Stromkunden wie Walmart, Apple und Amazon oft auf die Lieferung von 'erneuerbar erzeugtem' Strom bestehen.

Besser draußen bleiben als von drinnen sabotieren

"Ein Schurkenstaat USA kann innerhalb des Abkommens mehr Schaden anrichten als außerhalb", meint gar Luke Kemp von der Australian National University. Ähnlich sieht es Mohamed Adow von der Hilfsorganisation Christian Aid, die die Interessen ärmerer Länder bei den Klimaverhandlungen vertritt: "Besser, Trump ist außerhalb des Abkommens, als dass er es von Innen aushöhlt. Mit Trump hätten wir sowie höchstens den Namen der USA unter dem Abkommen gehabt."

Denn ein so mächtiger Staat wie die USA könnte die internationalen Beratungen für eine Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens bremsen oder gar sabotieren. Schließlich müssen noch zahlreiche Fragen rund um die Ende 2015 erzielte Vereinbarung geklärt werden, unter anderem mit Blick auf die für 2018 erwartete erste gemeinsame Bilanz der Klimaschutzbemühungen oder was die Transparenz der Klimapolitik der einzelnen Länder angeht.

"Auf dem Weg in eine Volkswirtschaft des vergangenen Jahrhunderts"

Eine weitere Beteiligung der USA unter Trump am Klimaprozess hätte nach Einschätzung mancher Experten ohnehin nicht dazu geführt, dass der zweitgrößte Produzent von Treibhausgasen seinen Ausstoß senkt. Denn der US-Präsident ist nicht nur ein Klimaskeptiker, sondern auch ein Erdöl- und Kohle-Fan. Seit seinem Amtsantritt hat er schon eine Reihe von Schritten unternommen, um die Umweltschutzmaßnahmen seines Vorgängers Barack Obama zu demontieren, unter anderem bei Regeln für Kohlekraftwerke oder dem Schadstoffausstoß von Autos – alles nach dem Motto "Jobs, Jobs, Jobs".

Doch diese Politik und der Ausstieg aus dem Klimaschutzabkommen könnte gerade den USA schaden. "Diese Entscheidung basiert auf dem wirtschaftlichen Denken des vergangenen Jahrhunderts und wird die USA in eine Volkswirtschaft des vergangenen Jahrhunderts verwandeln", sagt Andrew Steer vom Think-Tank World Resources Institute.

Schätzungen zufolge beschäftigte der Sektor der Erneuerbaren Energien 2016 in den USA rund 800.000 Menschen – fast fünfmal so viele wie der Kohle- und Erdölsektor. Hunderte Unternehmen haben den Präsidenten aufgerufen, auf eine klimafreundliche Wirtschaftspolitik zu setzen. (APA, red, 2. 6. 2017)