Skopje – Fast sechs Monate nach der Parlamentswahl und einer monatelangen schweren Verfassungskrise hat Mazedonien eine neue Regierung. Das Parlament in Skopje bestätigte am späten Mittwochabend die Regierung von Zoran Zaev. Nach einer zweitägigen Debatte unterstützen 62 Abgeordnete das neue Kabinett des Sozialdemokraten, das der seit zwei Jahren andauernden politischen Krise ein Ende setzen soll.

44 Abgeordnete stimmten gegen die Regierung, fünf Abgeordnete enthielten sich. "Ich kann mitteilen, dass die neue Regierung gewählt wurde", sagte der Parlamentspräsident Talat Xhaferi nach der Abstimmung.

Der neuen Koalition gehören neben den Sozialdemokraten die kleinen albanischen Parteien Demokratische Integrationsunion (DUI) und die Allianz für die Albaner an. Die dritte Albanerpartei, die Bewegung Besa, ist nun doch nicht in der Regierung vertreten, will die Koalition aber im Parlament unterstützen.

Vielzahl an Vorwürfen

Erstmals seit 2006 gehört die nationalkonservative Partei des langjährigen Regierungschefs Nikola Gruevski (VMRO-DPMNE) nicht mehr der Regierung an. Ohne Immunität und Einflussmöglichkeiten müssen Gruevski und seine engsten Mitarbeiter die strafrechtliche Verfolgung fürchten. Die seit einem Jahr ermittelnde Sonderstaatsanwaltschaft wirft ihnen schwere Kriminalität, Korruption, das Abhören zehntausender unbescholtener Bürger und die Gängelung von Medien und Justiz vor. Gegen Gruevski und zehn weitere Funktionäre der Nationalkonservativen laufen bereits Ermittlungen rund um illegale Parteienfinanzierung, Geldwäsche und Amtsmissbrauchs.

Mazedonien ist seit 2015 durch eine tiefe politische Krise gelähmt. Auch vorgezogene Parlamentswahlen im vergangenen Dezember, auf die man sich – auf EU-Vermittlung – geeinigt hatte, brachten keinen Ausweg. Die Nationalkonservativen wurden zwar wieder stärkste Partei, fanden aber keine Koalitionspartner mehr.

Der den Nationalkonservativen nahestehende Präsident Gjorge Ivanov weigerte sich daraufhin wochenlang, dem Sozialdemokraten Zaev das Mandat zur Regierungsbildung zu erteilen, obwohl er eine Mehrheit im Parlament hinter sich hatte. Er argumentierte, die im Koalitionsübereinkommen vereinbarte Ausweitung der Rechte für die albanische Minderheit beim Sprachgebrauch in den Institutionen gefährde die Einheit Mazedoniens.

Sturm auf das Parlament

Die Verfassungskrise gipfelte in einem Sturm auf das Parlament. Als die neue Parlamentsmehrheit den Albaner Talal Xhaferi zum neuen Parlamentspräsidenten wählte, stürmten Anhänger der Nationalkonservativen das Parlament und lieferten sich brutale Schlägereien. Mehr als 100 Personen wurden verletzt, darunter acht Abgeordnete.

Nach massiven Druck der USA und der EU lenkte der Präsident Mitte Mai schließlich ein und erteilte Zaev doch den Regierungsauftrag. Der Sozialdemokrat und seine Koalitionspartner versicherten zuvor Ivanov schriftlich, dass ihr Regierungsprogramm weder die mazedonischen Verfassung noch die Gesetze verletzen würden.

Unter den insgesamt 25 Regierungsmitgliedern sind sieben Angehörige der albanischen Minderheit, die rund ein Viertel der rund 2,1 Millionen Einwohner Mazedoniens ausmachen. Neuer Außenminister ist der Karrierediplomat und Ex-Botschafter in den USA, Nikola Dimitrov. Zaevs Parteifreunde Radmila Sekerinska und Oliver Spasovski übernehmen die Ressorts Verteidigung bzw. Inneres. Für die EU-Annäherung Mazedoniens wird in der neuen Regierung Bujar Osmani von der Albaner-Partei Demokratische Integrationsunion (DUI) zuständig sein.

Die frühere jugoslawische Teilrepublik Mazedonien ist schon seit 2005 EU-Beitrittskandidat. Bisher wurden aber keine Beitrittsverhandlungen aufgenommen. Hauptgrund ist der Streit mit dem EU-Mitglied Griechenland, das den Staatsnamen Mazedonien mit Blick auf die eigene Region Makedonien ablehnt und die Integration des Nachbarn in EU und NATO blockiert.

2001 war es in Mazedonien zu monatelanger Gewalt zwischen albanischen Rebellen und den Sicherheitskräften gekommen. Das von der EU vermittelte Ohrid-Abkommen setzte dem ein Ende, den Albanern wurden mehr Rechte eingeräumt. Albaner-Parteien waren seither sowohl für die Nationalkonservativen als auch die Sozialdemokraten Mehrheitsbeschaffer. (APA, 1.6.2017)