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STANDARD: Donald Trump wird angeblich das Pariser Klimaschutzabkommen aufkündigen. Hätten Sie das erwartet, und welche politischen Auswirkungen wird das haben?

Dan Hamilton: Wenn er das tatsächlich tut, unterstreicht er, dass seine Regierung wenig von multilateralen Prozessen hält. Das hätte sowohl innen- wie außenpolitisch Konsequenzen. Innenpolitisch sichert er seine Position unter seinen Stammwählern und auch unter ideologischen Republikanern und Energiekonzernen ab, die immer gegen solche Verpflichtungen waren. Außenpolitisch stellt er die USA als Alleingänger und Außenseiter auf. Letztendlich ist eine solche Position einsam und teuer.

STANDARD: Angela Merkel sorgte Anfang der Woche mit ihren offenen Worten für Aufsehen, Europa müsse sein Schicksal selbst in die Hand nehmen, denn die USA seien "kein verlässlicher Partner" mehr. Das Ende einer Ära, Überinterpretation oder nur deutscher Wahlkampf?

Hamilton: Sicher von allem etwas. Merkel hat das in einem bayerischen Bierzelt gesagt. Hätte sie eine neue deutsche Außenpolitik verkünden wollen, hätte sie es sicher nicht dort getan. Außerdem hat sie schon in den letzten Monaten Ähnliches gesagt. Neu ist vielleicht, dass sie hinzufügte, dass sie das auch in den letzten Tagen selbst eindrücklich erlebt habe. Damit meinte sie die Einstellung Trumps, den sie ja beim G7-Gipfel getroffen hat. Außerdem wird oft nicht zitiert, dass sie sich mit ihrer Aussage nicht nur auf Trump, sondern auch auf Großbritannien und den Brexit bezogen hat.

Aber Merkel sieht auch, dass sie aktuell mit dem Thema Europa im Wahlkampf wieder punkten kann. Sie nimmt der SPD das Thema weg, das diese mit dem ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten Schulz als Spitzenkandidat zu besetzen meinte. Und sie positioniert sich gegen Trump. Die SPD hatte ihr ja vorgeworfen, dass sie vor dem US-Präsidenten einknickt. Wahltaktisch waren die Aussagen also klug. Sie haben allerdings kein inhaltliches Gewicht.

STANDARD: In den USA hat sie damit allerdings einigen Staub aufgewirbelt, auch Donald Trump hat reagiert. Das Verhältnis wirkt gestört.

Hamilton: Das persönliche Verhältnis zwischen Trump und Merkel ist sicher gestört. Es muss frustrierend gewesen sein zu sehen, dass sich Trump bei manchen Themen einfach nicht beugt und sein Ding durchzieht. Diese Regierung mag die multilateralen Prozesse nicht. Das war aber erwartbar, und damit muss man auch beim G20-Gipfel im Juli in Hamburg rechnen. Formell werden die USA dabei sein. Inhaltlich ist von ihnen aber nichts zu erwarten.

STANDARD: Warum nicht?

Hamilton: Man muss verstehen, dass Trump außenpolitisch nur wenige Prioritäten hat. Das sah man schon im Wahlkampf: Wir bauen die Mauer. Wir jagen die Terroristen. China ist ein Problem. Wenn man es zur Außenpolitik dazuzählen will, ist Handelspolitik das vierte Thema. Von ihm ist also nur selektives Engagement zu erwarten.

STANDARD: China scheint allerdings kein Problem mehr zu sein.

Hamilton: Ja, das ist interessant, da hat er mittlerweile umgedacht. Zu China hat Trump gesagt: Helft uns mit Nordkorea, und wir kommen euch entgegen. Als Peking darauf hinwies, dass sein Einfluss auf Nordkorea auch an Grenzen stößt, hat es aus Washington geheißen: Das wird nun eure Bewährungsprobe.

STANDARD: Zurück zur Nato. Trumps Forderung nach einer stärkeren finanziellen Beteiligung der Partner ist alles andere als neu. Was ist der Unterschied zu den Forderungen seiner Vorgänger?

Hamilton: Diese Forderung gibt es tatsächlich seit Jahrzehnten. Was Trump aber tut, ist, das Thema mit der Beistandsklausel zu verknüpfen. Er hat zumindest einmal in den Raum gestellt, die Einstandspflicht der USA relativieren zu wollen. Nun hat man beim Nato-Gipfel von ihm erwartet, dass er persönlich nochmals das Bekenntnis der USA zur Nato betont. Das hat er nicht getan. Trump ist kein Typ, der solche Erwartungen gerne erfüllt.

STANDARD: Die transatlantische Achse ist nicht in Gefahr?

Hamilton: Nicht an sich. Wir sind wirtschaftlich viel zu sehr miteinander verflochten. Es ist nicht das erste Mal, dass zwischen Europäern und Amerikanern schlechte Stimmung herrscht. Die USA würden sich aber sehr freuen, wenn Europa ein stärkerer Counterpart – im Gegensatz zu Counterweight – wird.

STANDARD: Kann Europa denn entscheidungsfähiger werden?

Hamilton: Ja. Aber Europa ist vielschichtig und muss sich nach dem Brexit neu orientieren. Das Tandem Frankreich–Deutschland kann ein Motor sein, das wird aber nicht ausreichen. In den USA werde ich derzeit oft auf das Chaos in Europa angesprochen, in Europa wiederum auf das Chaos in den USA, als ob der jeweils andere das Problem wäre. Wir sehen nicht, dass wir mittlerweile beide unzuverlässige Partner geworden sind.

STANDARD: Apropos Chaos in den USA. Dort wird in letzter Zeit viel über potenzielle Russland-Kontakte Trumps und seiner Vertrauten diskutiert. Sehen Sie, wie viele Kommentatoren, auch schon Parallelen zum Watergate-Skandal?

Hamilton: Ja. Der Vorwurf gegen Richard Nixon war, dass er damals die Untersuchungen behinderte. Das ist nun auch bei Trump der Fall. Der Unterschied zu damals ist aber die Rolle des Kongresses. Damals fanden im Kongress täglich öffentliche Befragungen statt. Das Ganze wurde im Fernsehen übertragen. Irgendwann ist die öffentliche Meinung dann gekippt. Das passiert – derzeit zumindest – nicht. Seine Stammwählerschaft liebt Trump nach wie vor. (Manuela Honsig-Erlenburg, 1.6.2017)