Die Explosion hinterließ einen tiefen Krater

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Sicherheitskräfte machten sich im Diplomatenviertel von Kabul ein Bild vom Ausmaß der Zerstörung.

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Auch strenge Bewachung hatte den Anschlag nicht verhindern können.

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In der afghanischen Hauptstadt Kabul hat am Mittwochmorgen eine Autobombe dutzende Menschen getötet. Unter anderem wurden die deutsche Botschaft sowie die Vertretungen Frankreichs, Chinas und der Türkei beschädigt. In unmittelbarer Nähe des Anschlagsortes liegen die meisten Ministerien, der Präsidentenpalast und die Sitze westlicher Institutionen wie das Nato-Hauptquartier oder die EU-Vertretung. Stacheldrahtbarrieren und Checkpoints sollen eigentlich einen "stählernen Ring" um die Gegend bilden. Dieser wird aber wegen seiner Durchlässigkeit oft verspottet.

Hunderte versammelt, um nach Angehörigen zu suchen. Die Explosion, die mitten im dichten Morgenverkehr die afghanische Hauptstadt erschütterte, war so heftig gewesen, dass viele Menschen zunächst an ein Erdbeben glaubten. Das Attentat im streng gesicherten Diplomatenviertel Wazir Akbar Khan, nur einige Hundert Meter von der deutschen Botschaft entfernt, tötete mindestens 85 Menschen und verletzte mehr als 350. Unter den Todesopfern ist auch ein afghanischer Wachmann der deutschen Botschaft; einige Mitarbeiter wurden nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin verletzt. Österreicher sind von dem Anschlag nicht betroffen, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Wien, Michael Bauer, auf Anfrage.

Gegen 8.30 Uhr Ortszeit detonierte der in einem Tanklaster versteckte Sprengsatz am Zanaq-Platz, in dessen Nähe mehrere diplomatische Vertretungen, der Präsidentenpalast, das Nato-Hauptquartier und ein Krankenhaus liegen. Die Gebäude zahlreicher Botschaften wurden durch die Explosion zum Teil schwer beschädigt.

Keine sicheren Gebiete

Das brutale Attentat zeigt erneut, wie prekär nach fast 16 Jahren Krieg die Sicherheitslage am Hindukusch ist – und dass es in Afghanistan keine sicheren Gebiete gibt, wenn selbst Botschaftsangehörige hinter vier Meter hohen Mauern und Explosionsschutzwänden nicht sicher sind.

Der Anschlag ist einer der schwersten in Kabul seit Ende der Nato-Kampfmission im Jahr 2014. Wer dahintersteckt, war zunächst noch unklar. Ein Sprecher der aufständischen Taliban bestritt jede Verantwortung. Ob die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) das Attentat ausgeführt hat, stand ebenfalls nicht fest.

Afghanistans Sicherheitsdebakel ist das Resultat gleich dreier Krisen: der schwelenden innenpolitischen Krise in Kabul, der Spannungen zwischen Afghanistan und seinen Nachbarn und des Konflikts zwischen den Taliban und der Regierung. Die schwache und korrupte Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani, die vom Westen gestützt wird, ist Wasser auf die Mühlen der Aufständischen. Afghanistans Beziehungen mit dem Nachbarland Pakistan liegen im Argen. Der islamische Nachbar gewährt seit 2002 den Taliban und anderen islamistischen Terrororganisationen Zuflucht, um sich so den Einfluss in Afghanistan zu sichern. Ein Ende dieser Politik ist nicht in Sicht.

Auch die Beziehungen zwischen Afghanistan und den wichtigen Regionalmächten Iran und Russland sind angespannt. Ohne deren Mitwirken ist das Land aber kaum dauerhaft zu stabilisieren. Im Gegenteil: In Afghanistan zeichnet sich eine neue Front zwischen den USA und Russland ab – diesmal mit umgekehrten Vorzeichen als in den 1980er-Jahren. Russland sucht die Nähe zu den aufständischen Taliban, ihren früheren Kriegsgegnern, während die USA die Regierung in Kabul stützen. Der Westen sieht das neue Engagement Russlands in Afghanistan kritisch.

Gleichzeitig mehren sich die Hinweise darauf, dass die USA unter Präsident Donald Trump ihre rund 9000 Soldaten in Afghanistan wieder aktiv am Kampf gegen die Taliban beteiligen wollen. US-Drohnenangriffe und Luftkampfeinsätze haben in den vergangenen Wochen stark zugenommen. Im April setzten die USA ihre stärkste nichtatomare Bombe gegen mutmaßliche Verstecke des "Islamischen Staates" im Osten des Landes ein.

Keine militärische Lösung

Trotz jahrelanger Anstrengungen sind die vielen Versuche, die politischen Krisen in Afghanistan zu lösen, nie über das Anfangsstadium hinausgekommen. Die Friedensgespräche mit den Aufständischen sind festgefahren. Dabei ist eines klar: Der Konflikt im Land muss mit einer politischen Lösung enden, denn Sieg und Niederlage gibt es in dem seit fast 16 Jahren andauernden Krieg nicht. (Agnes Tandler, 1.6.2017)