Patrick Konrads nächste Tortur ist ab 10.6. die Tour de Suisse.

Foto: BORA - hansgrohe/Brian Hodes

Mailand/Wien – Müde, aber glücklich – viel besser lässt sich Patrick Konrads Zustand nach der Finalisierung des 100. Giro d'Italia in Mailand nicht beschreiben. Wobei der Niederösterreicher, der innert dreier Wochen 3615,4 Kilometer nahezu mit einem 40er-Schnitt zurückgelegt hatte, schon festgehalten wissen wollte, dass die körperlichen Verschleißerscheinungen gar nicht so ins Gewicht fallen, "man ist diese Belastung gewohnt, dafür habe ich ja zehn Jahre lang trainiert". Im Vorjahr, nach seiner ersten Tour de France, die Konrad als 65. mit zweidreiviertel Stunden Rückstand auf den britischen Sieger Christopher Froome beendet hatte, sei er ein paar Tage danach so richtig erledigt gewesen.

Die bis zuletzt spannende Italien-Rundfahrt erschöpfte Konrad vor allem mental. "Die Spannung über diese lange Zeit zu halten, ist fast härter", sagte der 26-Jährige. "Mit Blick auf das Gesamtklassement durfte man sich keinen Fehler, eigentlich keinen schwachen Tag leisten."

Richtig gelitten

Patrick Konrad ist das tadellos gelungen. Mit Rang 16 hat der Kapitän die Erwartungen seines Teams Bora – hansgrohe übererfüllt. Der Rückstand auf den Gesamtsieger, auf den Niederländer Tom Dumoulin, der sich im abschließenden Zeitfahren zwischen Monza und Mailand das Rosa Trikot vom Kolumbianer Nairo Quintana zurückgeholt hat, hielt sich mit 35:50 Minuten in Grenzen. Ein, zwei Plätze wären noch drinnen gewesen, hätte Konrad nicht infolge eines leichten Infekts während der vierten Etappe mit Bergankunft am Ätna auf Sizilien mehr als zehn Minuten verloren. Teamkollege und Spezi Thomas Mühlberger hatte sich in dieser kritischen Situation um seinen Kapitän besonders verdient gemacht, der danach noch "zwei, drei Tage richtig gelitten" hat. Dann ist es aber stetig bergauf gegangen. Mein Highlight waren sicher die letzten fünf schweren Bergetappen, in denen ich das Level halten konnte."

Dies, obwohl der 100. Giro wegen der vielen Anwärter auf Spitzenplätze ein hartes Brot war. Konrad: "Es gab keine typische Überstellungsetappe, in der eine Spitzengruppe durchkommt. Für Fahrer aus der zweiten Reihe wie mich gab es kaum Freiräume, Erfolg mit einer Attacke war nicht möglich. Auch weil viele Teams lange nichts gewonnen hatten und unter Druck fuhren."

Bora mit seinen drei Österreichern war nie unter Druck, schließlich sackte Lukas Pöstlberger gleich die erste Etappe in Olbia auf Sardinien ein. Danach gab es sechs weitere Podiumsplätze für die deutsche Equipe. Konrad selbst war als Sechster der 15. Etappe am vorvergangenen Sonntag in Bergamo nicht weit weg vom Tageserfolg. "Wenn es 50 Meter länger geht, gewinne ich."

Auch die Landsleute in den anderen Teams zierten die Übung. Felix Großschartner zeigte als Tagessiebenter einmal für CCC auf. Georg Preidler, Siebenter des Zeitfahrens, sonnt sich als Kollege von Gesamtsieger Dumoulin bei Sunweb in dessen rosa Glanz. Umso bitterer stieß Wolfgang Konrad, Wien-Marathon-Macher und Vater von Radprofi Patrick auf, dass der Radsportverband auf seiner Homepage den Giro nach Pöstlbergers Sieg ignorierte und am Sonntagabend der Ausgang im ORF-Kurzsport völlig verschwiegen wurde. (Sigi Lützow, 30.5.2017)