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Kaum eine Firma kommt an der Digitalisierung vorbei. Der Wandel betrifft auch jene, die künftig in automatisierten Betrieben arbeiten.

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Wien – Analog zu Österreichs Topografie gibt es ein merkbares West-Ost-Gefälle, wenn es um die Wahrnehmung der Digitalisierung geht. Landesweit sind es 73 Prozent der Firmen, die Auswirkungen auf ihr Haus erwarten, geht aus einer Umfrage der Gläubigervertretung KSV 1870 hervor. "Wir raten allen Unternehmen, sich mit den Anforderungen und den Herausforderungen der Digitalisierung auseinanderzusetzen", empfiehlt KSV-Vorstand Ricardo-José Vybiral.

Ähnlich sieht das Péter Horváth, Gründer der Unternehmensberatergruppe Horváth & Partners. Sein Befund über die Wahrnehmung der Digitalisierung: "Ich glaube, dass diese Entwicklung schon vielen bewusst ist." Weniger klar sei vielen Unternehmern, was dies für ihren Betrieb bedeute. "Wir sprechen tatsächlich von einer Revolution." Daran müssten Geschäftsmodelle angepasst werden – und zwar laufend, denn: "So schnell, wie sich die Dinge verändern, ist das eine Daueraufgabe."

Horváth, selbst in den 1950er-Jahren aus Ungarn nach Deutschland migriert, stuft den Umbruch durch Digitalisierung stärker ein als jenen durch den Fall des früheren Ostblocks. Einen Unterschied betont der heute 80-Jährige dabei: Die Ostöffnung sei für Firmen in den 1990er-Jahren eine Chance, aber keine Notwendigkeit gewesen. "Diesmal bleibt keine andere Wahl", sagt Horváth, "es ist eine Existenzfrage."

Lernen, lernen, lernen

Handlungsbedarf ortet der Managementberater auch bei Privatpersonen. "Die Profile für Mitarbeiter verändern sich stark." Darauf müsse sich das Individuum einstellen, denn in Unternehmen würden zwar viele Positionen verschwinden, vornehmlich in der Produktion. Im Gegenzug werden sich laut Horváth dafür andere Türen öffnen, etwa im Servicebereich, wo neue Tätigkeiten entstehen würden. Sein Ratschlag: "Lernen, lernen, lernen – und alle Weiterbildungschancen nutzen."

Die Automatisierung wird sich aus Sicht des Unternehmensberaters längerfristig fortschreiben. Grund ist für ihn der verstärkte Einsatz lernfähiger Maschinen: "Wir sind am Weg zur künstlichen Intelligenz. Das bedeutet, dass ein Computer den Managern viele operative Entscheidungen abnimmt." Daher würden nicht nur in der Produktion, sondern auch in der Verwaltung immer mehr Tätigkeiten automatisiert werden – wobei künftig mit der Verbreitung von künstlicher Intelligenz tendenziell zunehmend "höherrangige Entscheidungen" maschinell getroffen würden.

Was das für den Arbeitsmarkt bedeutet? Es zeichne sich bereits eine Verknappung bei Softwareentwicklern, Informatikern, Mathematikern und Statistikern ab. "Ich glaube nicht, dass dieser Mangel vorübergehend ist", betont Horváth. "Wenn die Regierung und die Unternehmen keine Anstrengungen unternehmen, wird das ein Dauerproblem." Daher fordert er einen "nationalen Kraftakt", um MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) zu forcieren, bevor der Zug abgefahren ist. Große Potenziale sieht der Berater auch bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung – und fügt hinzu: "Da geschieht auch schon viel." (Alexander Hahn, 30.5.2017)