Wien – Neue Therapiestrategien haben in den vergangenen Jahrzehnten dazu geführt, dass mittlerweile 95 Prozent der transplantierten Nieren mindestens ein Jahr gut funktionieren und dass die durchschnittliche Lebensdauer eines transplantierten Organs 10 bis 15 Jahre beträgt. Noch 1989 war eine von fünf Nieren nach Jahresfrist nicht mehr funktionsfähig. Das ist eines der zentralen Ergebnisse eines Reviews über den derzeitigen Stand der Forschungen, zu dem Rainer Oberbauer von "The Lancet", einer der ältesten und wichtigsten medizinischen Fachzeitschriften, eingeladen wurde.

"Das unterstreicht auch die Bedeutung unserer Publikationen und dass die MedUni Wien im Bereich Transplantation auch international einen absolute Spitzenstellung einnimmt", sagt Oberhauser. Er ist Leiter der klinischen Abteilung für Nephrologie und Dialyse der MedUni Wien. 95 bis 96 Prozent der transplantierten Nieren halten und funktionieren zehn Jahre lang gut, bis dahin fallen nur vier bis fünf Prozent aus und müssen erneut ersetzt werden. Oberhauser: "Dieses Ergebnis ist gut und der Trend stimmt, aber 'The Lancet' wollte von uns wissen, ob es Strategien gibt, die diese Rate künftig noch verbessern werden".

Knochenmarktransplantation hilft, fremde Organe anzunehmen

Dazu zählt der derzeit wohl innovativste Ansatz, der von Thomas Wekerle beforscht wird. Er ist der Erstautor der Übersichtsarbeit der Universitätsklinik für Chirurgie der MedUni Wien. Zusätzlich zur Niere wird dem Empfänger Knochenmark vom Spender transplantiert um Toleranz zu erreichen. Diesen Zustand nennt man "Chimärismus", dabei haben die PatientInnen zwei Komponenten von Knochenmark – ihr eigenes und jenes vom Spender. Der Begriff kommt von der Chimäre, die ein Mischwesen in der griechischen Mythologie war. Wenn es gelingt, dass sich das fremde Knochenmark einnistet, erkennt das Immunsystem des Empfängers das Spenderorgan nicht mehr als "fremd" und stößt es nicht ab. Erste Pilotstudien haben gezeigt, dass diese Methode sehr erfolgversprechend ist.

Der Vorteil: Die abstoßende Immunreaktion nach einer Organtransplantation müsste nicht mehr mit Immunsuppressiva bekämpft werden. Diese Medikamente wären nicht mehr nötig. Noch ist eine Knochenmarktransplantation allerdings mit Bestrahlung und der Einnahme von Zytostatika verbunden – beides hat eine sehr hohe Toxizität und ist für die Betroffenen mit vielen unangenehmen Nebenwirkungen verbunden. "Wenn wir diese Toxizität ausschalten könnten, würde das den Weg frei machen für die Etablierung der medikamentenfreien Toleranz in der klinischen Organtransplantation", sagt Wekerle. Große Hoffnungen setzen die ForscherInnen dabei in den Einsatz von regulatorischen T-Zellen vom Empfänger.

Künftig europaweites Nieren-Spender-Programm

Weitere Verbesserungen beim Erhalt von transplantierten Nieren könnte ein künftiges, europaweites Nieren-Spender-Programm bringen – analog zu jenem, das die USA seit 2014 verwenden. Während in Europa derzeit derjenige die Niere bekommt, der sie am dringendsten braucht, wird in den USA ein Programm verwendet, das ganz exakt anhand von bestimmten Algorithmen analysiert, welche Niere am besten zu welchem Empfänger passt (Alter, Gewebeübereinstimmung, etc.) und auch, wie lange diese dem Empfänger noch nützlich sein kann. Oberbauer: "Es bringt beiden nichts, wenn jemand die Niere eines 20-jährigen bekommt, selbst aber nach wenigen Jahren verstirbt. Man sollte die Niere so einsetzen, das beide möglichst lang davon profitieren." Weitere immer wichtiger werdende Strategien sind die frühzeitige Überlegung, ob ein Verwandter oder Freund eine Niere spenden könnte bzw. als Spender in Betracht käme. Oberbauer: "Aktuelle Studien bei uns an der MedUni Wien haben gezeigt, dass eine Transplantation noch vor der Dialyse das Leben verlängern kann."

Auch die Kühlung der Spenderniere bringt eine deutliche Verbesserung und kann bei Nierenspenden von Verstorbenen leicht umgesetzt werden. Es konnte gezeigt werden, dass gekühlte Nieren nach einer Transplantation um 40 Prozent besser wieder "anspringen" als ungekühlte. Einen ähnlichen Effekt gibt es bei vor einer Transplantation extern durchgespülten Spendernieren ("Perfusion"). Künftig könnten auch Xenotransplantationen eine interessante Alternative darstellen, also von Gewebezellen zweier verschiedener Spezies – aktuell gibt es in der Wissenschafts-Community Studien mit Inselzellen von Schweinen. (red, 29.5.2017)