Kern überreicht dem Kronprinzen in Abu Dhabi ein Paar Skier.

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Als von "Jahrzehnten hervorragender Kooperationen geprägt" bezeichnet Ägyptens Staatspräsident Abdelfattah al-Sisi die Beziehungen zu Österreich – und zwar sowohl auf politischer als auch wirtschaftlicher und kultureller Ebene. Sein Gast in Kairo an diesem Mittwoch, Bundeskanzler Christian Kern, stimmt zu und erinnert an Bruno Kreisky, dessen Name in der arabischen Welt auch nach Jahrzehnten einen guten Klang hat. Es sei "wichtig, an die gemeinsame Geschichte anzuknüpfen, Ägypten ist ein besonders wichtiger Partner in der Region".

Ebenso wie tags darauf in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) wird aber nicht nur das Gespräch gesucht, um bilateral ohnehin gute bis beste Beziehungen zu betonen, sondern vor allem, um Probleme zu erörtern, die Europa ebenso wie die arabische Welt massiv beschäftigen. Eine Konstante ist dabei – neben dem Kriegsschauplatz Syrien – Libyen, wo sowohl Sisi als auch der Kronprinz in den Emiraten, Scheich Mohamed Bin Zayed Al Nahyan, einen Schlüssel für die Entwicklung der ganzen arabischen Region sehen.

"Im Gegensatz zu Positionen, wie sie in der EU und in der Uno vorherrschen, haben Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate eine etwas andere Auffassung davon, wie Libyen stabilisiert werden kann", berichtet Kern von seinen Gesprächen mit Sisi am Mittwoch und mit Scheich Mohamed am Donnerstag. Während Europa auf Fayez al-Sarraj, den Premier der von der Uno unterstützten und international anerkannten Regierung, setzt, sehe man in Kairo und Abu Dhabi beim Kampf gegen Muslimbrüder und Terrorismus in General Khalifa Haftar – dem selbsternannten Armeechef, der sich weigert, die Sarraj-Regierung anzuerkennen – den starken Mann, der die Lage unter Kontrolle bringen kann. "Europa wäre gut beraten zu reflektieren, was Ägypten und die Emirate in dieser Sache zu sagen haben", sagt Kern. Das Ergebnis müsse realistischerweise sein, diese beiden Kräfte näher zusammenzubringen. In der arabischen Welt, so Kern, hoffe man darauf, dass Europa dazu einen Beitrag leistet.

Thema Flüchtlinge

Das zweite große politische Thema dieser Kanzler-Reise ist die EU-Flüchtlingspolitik – gerade im Zusammenhang mit Syrien und Libyen. Ägypten lobt Kern für dessen Maßnahmen, um nunmehr so gut wie keine Bootsflüchtlinge mehr von den ägyptischen Küsten starten zu lassen und auch die Landgrenze zu Libyen stärker bewachen zu lassen.

"Wir werden die Flüchtlingsproblematik leider nicht nächstes und wohl auch nicht in zehn Jahren völlig gelöst haben", sagt Kern. Daher hoffe er auf einen Flüchtlingsdeal mit Ägypten und anderen Ländern in der Region – ähnlich jenem, den die EU bereits mit der Türkei eingegangen ist. "Wir wissen, dass die Region für die europäische Wirtschafts-, Sicherheits- und auch Flüchtlingspolitik entscheidend ist und dass wir ohne Stabilität in Europa die Auswirkungen spüren würden." Die europaweit kontroversiell diskutierte Idee, Auffanglager in Nordafrika einzurichten, könne aber nur dann weiter verfolgt werden, wenn "außer Streit steht, dass die Menschenrechte der Maßstab sind". Dies sei bisher eher nicht der Fall. "Da dürfen wir uns nichts schönreden", hält Kern fest.

Solche Auffanglager – im Libanon und in Jordanien gebe es einigermaßen funktionierende Beispiele, sagt der Kanzler – müssten Orte "mit entsprechender Infrastruktur" sein, um ein möglichst reguläres Leben zu ermöglichen. "Wenn man das richtig organisiert, kann das ein Schlüssel sein. Wenn man es aber nur als Möglichkeit sieht, um die Augen vor dem Problem zu verschließen, wird uns das wieder einholen."

Nachhaltiges Engagement in Ägypten

Sowohl in Kairo als auch in Abu Dhabi – und dann am Donnerstagabend bei einem Abstecher nach Dubai – standen auch wirtschaftspolitische Gespräche auf der Agenda. Die österreichische Bundesregierung will Ägypten vor allem durch wirtschaftliches Engagement zu nachhaltiger politischer Kooperation bewegen – worauf der ägyptische Präsident, wie er mehrmals betonte, eingehen wolle, "damit die ägyptische Bevölkerung in Zukunft besser leben kann".

In Ägypten sind schon jetzt rund 600 österreichische Firmen aktiv. Laut Bundeskanzleramt ziehen die österreichischen Exporte nach problematischen Jahren seit dem sogenannten Arabischen Frühling nun wieder an. Für die vergangenen beiden Jahre gab es ein Plus von 20 Prozent. Dieser Trend soll nachhaltig gefestigt werden. Auch der ägyptische Tourismus, der wegen der teilweise prekären Sicherheitslage letzthin Probleme hatte, soll davon profitieren.

Große Deals am Persischen Golf

In größerem Maßstab stellen sich die wirtschaftspolitischen Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten dar. So ist neben dem Kunststoff-Konzern Borealis auch die OMV in Abu Dhabi fest verankert, und man hofft auf einen weiteren Ausbau der Kontakte. Wie OMV-Geschäftsführer Rainer Seele im Gespräch mit österreichischen Journalisten berichtete, gebe es aktuell mehrere Absichtserklärungen mit dem emiratischen Gegenüber, der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC).

Die Projekte seien vielversprechend, aber letztendlich nur realisierbar, wenn sie tatsächlich Profit abwerfen. Seele zeigte auch aber zuversichtlich, mithilfe der Republik Österreich und Abu Dhabis als "schützende Anker-Aktionäre" von OMV und ADNOC weiterzukommen. Der österreichische Energiekonzern habe jedenfalls große Ambitionen in den Bereichen Öl- und Gasförderung sowie im Produktionsbereich, etwa beim Export von der in Schwechat eingesetzten Raffinerie-Technologie.

Erstmals seit Kreisky 1981

Allgemein waren in den Emiraten tätige österreichische Unternehmer hoch erfreut, nach 1981 (einmal mehr war es Kreisky) zum ersten Mal wieder den Besuch eines Bundeskanzlers in Abu Dhabi begrüßen zu können. Denn dieser habe sich durchaus als jener Türöffner erwiesen, auf den man schon seit vielen Jahren gewartet hatte. Als Gastgeschenk überreichte Kanzler Kern dem skibegeisterten Scheich Mohamed übrigens ein Paar Ski einer Salzburger Nobelmarke – gemeinsam mit einer Einladung, diese schon demnächst auf österreichischen Pisten gemeinsam auszuprobieren.

Trotz zufriedener Gesichter in der österreichischen Unternehmer-Community gaben diese aber auch zu verstehen, dass man sich Sorgen mache über einen letzthin feststellbaren Trend zur Re-Regulierung des Handels. Während man bisher vergleichsweise liberale Bedingungen vorgefunden habe, gebe es neuerdings Anzeichen dafür, die Möglichkeiten für Europäer zu reduzieren.

Märkte Asien und Russland

Mehrfach war zu hören, dass sich die Emirate nun offenbar stärker Richtung Asien – vor allem China – und Russland orientieren würde. "Man sollte aber nicht vergessen, dass es vor allem Europa ist, das führende Kompetenz in Know-how und Diversifizierung aufweist", sagte ein Diplomat. Auch eine geplante Steuer für Energy Drinks stieß auf Missfallen bei der regionalen Red-Bull-Niederlassung.

Zudem beschäftigt die Steuerproblematik die österreichischen Unternehmer. Während Internet-basierte Unternehmen von der hervorragenden Telekommunikations-Infrastruktur profitieren würden ohne dafür aufkommen zu müssen, werden die teils sehr hohen Steuern und Mieten im stationären Handelssektor problematisch gesehen.

Generell werte Kern seine Reise als "großen Erfahrungsgewinn". "Es war sehr erkenntnisreich, wie vor allem die Emirate Europa sehen und verstehen, wo ihre Interessen und ihre Sorgen sind." Zu diesen zählten etwa die unabwägbaren Folgen des Brexit und der Stellenwert des Rechtspopulismus, Stichwort: Präsidentschaftswahl in Frankreich. Von hoch oben am Burj Khalifa, mit 828 Metern der höchste Wolkenkratzer der Welt, verschaffte sich dann Kern einen weiteren Überblick – allerdings nicht einen politischen, sondern einen geografischen und städtebaulichen. (Gianluca Wallisch aus Kairo und Abu Dhabi, 25.5.2017)