Marcel Kollers verbaler Rundumschlag hatte aufs erste Hören Charme. Aus dem Teamchef ist ein Wutschweizer geworden. Er prangerte die "Raunzerei" der österreichischen Fußballer an, die sich darüber erregen, nach der ach so zermürbenden Saison noch ein Länderspiel bestreiten zu müssen. Natürlich ist der Terminkalender des Weltverbandes Fifa keinem Geistesblitz entsprungen, aber die WM-Quali in Irland ist Fakt. Koller bekrittelte die Einstellung, wies darauf hin, dass andere Menschen froh über diese Probleme wären. Dass einer der Spieler just an diesem Termin heiratet, klingt in der Tat fast grotesk. Andererseits wurde Andreas Ulmer permanent ignoriert, möglicherweise war das nur eine Retourkutsche. Das Wohl des Nationalteams hängt sicher nicht von Ulmer ab. Es ist Kollers Baustelle.

Im November 2011 angetreten, hat er einiges bewegt, der Mannschaft Leben eingehaucht. Die enttäuschende EM 2016 war der Wendepunkt zum Negativen, Anzeichen gab es schon davor. Da hat sich etwas abgenützt, in der Beziehung kriselt es. Manche Personalentscheidungen, etwa auf den einzigen Tormann mit Praxis (Marco Knaller) zu verzichten, sind kaum nachvollziehbar. Koller wurde laut und populistisch. Vielleicht auch, um dem eigenen Ende vorzubeugen. Die Brandrede war Weckruf oder Abgesang. Geklärt wird das am 11. Juni in Dublin. Eine Therapiestunde über 90 Minuten. Plus Nachspielzeit.(Christian Hackl, 23.5.2017)