Wien – Es ist eines jener Vorhaben, die SPÖ und ÖVP noch rasch vor der Nationalratswahl am 15. Oktober über die Bühne bringen wollen: In einer sogenannten Staatszielbestimmung soll in die Verfassung aufgenommen werden, dass sich die Republik "zu Wachstum, Beschäftigung und einem wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort" bekennt.

Was technisch und unspektakulär klingt, sorgt nun aber für massive Kritik. In einem offenen Brief forderten am Montag über 40 Professoren heimischer Universitäten die Regierungsparteien auf, das Vorhaben "dringend" zu überdenken. (Das Schreiben mit Namen ist unter diesem .pdf-Link zu finden)

Reaktion auf dritte Piste

Worum geht es bei dem Vorschlag? Wie berichtet handelt es sich um eine Reaktion auf die umstrittene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, laut der der Bau der dritten Piste am Flughafen Wien-Schwechat aus ökologischen Gründen untersagt wurde. Mit der neuen Staatszielbestimmung sollen die Vollzugsorgane verpflichtet werden, bei Entscheidungen nicht nur den Umweltschutz, sondern auch die Standortpolitik zu berücksichtigen.

Dadurch entstehe aber "der Eindruck, dass aktiver Klimaschutz, sobald er nicht mehr bloße Rhetorik ist, sondern zu handfesten und auch kontroversiellen Entscheidungen führt, infrage gestellt wird", kritisieren die Uni-Professoren. Sie warnen vor einem "Verwässern des Klimaschutzes" und befürchten, dass die geplante Klima- und Energiestrategie der Regierung konterkariert werde. Auch Umweltschutzorganisationen hatten vergangene Woche bereits massive Kritik an den Regierungsparteien geübt.

Am Dienstag will Bundeskanzler Christian Kern dieses und andere Themen mit der ÖVP und den Oppositionsparteien besprechen. Für die nötige Verfassungsmehrheit scheint jedenfalls gesorgt sein. Die FPÖ werde dem Verfassungsantrag zustimmen, "obwohl dieser sehr dünn und dürftig ist", erklärte Parteichef Heinz-Christian Strache auf Anfrage. Es werde aber "reale Umsetzungen brauchen", ein Satz in der Verfassung ändere nichts an der heutigen Realität. "Die rot-schwarze Regierung hat dem Wirtschaftsstandort in den letzten zehn Jahren massiv geschadet", erklärte Strache.

Oppositionswünsche

Um Zustimmung der Opposition will Kern auch noch bei der Bildungsreform (mehr dazu hier) und der Liberalisierung der Gewerbeordnung werben. Umgekehrt haben auch Grüne und Neos vor der Allparteienrunde Wünsche und Forderungen angemeldet. Der Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser, will die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, über die seit Jahren verhandelt wird, endlich zu einem positiven Abschluss bringen. Auch die Reform des Ökostromgesetzes will er noch vor dem Sommer fertigverhandeln.

Die Zustimmung der Neos reicht den Regierungsparteien zwar nicht, um auf eine Zweidrittelmehrheit zu kommen, sollte es aber doch noch zu dem von Kern in Aussicht gestellten freien Spiel der Kräfte im Parlament kommen, könnten aber auch gemeinsame Beschlüsse mit den Pinken zustande kommen. Sie haben sich immer wieder für die Abschaffung der kalten Progression, also die Anpassung der Steuertarife an die Inflation, ausgesprochen. Bei diesem Punkt konnten sich SPÖ und ÖVP bisher nicht auf die Details einigen.

Die Erwartungen in das Treffen am Dienstag sind bei den Neos allerdings endenwollend. "Wenn sich SPÖ und ÖVP nicht in eine gewisse demokratische Freiheit entlassen, wird nichts passieren", sagt Generalsekretär Nikola Donig. Dann würden auch jene Bereiche weiter ungelöst bleiben, bei denen Mehrheiten im Nationalrat möglich wären. Da Finanzminister Hans Jörg Schelling am Sonntag erneut auf die Pakttreue hingewiesen habe, sieht Donig "noch nicht viel Hoffnung". (go, pm, 22.5.2017)