Viele Juden der Buckligen Welt stammten ursprünglich aus dem burgenländischen Kobersdorf. Dessen Schul‘ hat als einzige der berühmten Esterházy‘schen Siebengemeinden den Terror überstandanden.

Foto: Andy Urban

Bad Erlach – Die Bucklige Welt – die den Wechsel anmutig verlängert ins Burgenländische und über die Rosalia und den Sieggraber Berg ins Ödenburger Gerbirge hin – ist der etwas vergessene südöstliche Winkel von Niederösterreich. So vergessen ist diese Welt, dass sie zuweilen wie selbstvergessen wirkt.

Zum Beispiel weiß hier kaum noch jemand, sagt Johann Hagenhofer, dass da einst ein reges jüdisches Leben stattgefunden hat. Hagenhofer, ein pensionierte Gymnasialdirektor, ist einer der umtriebigen Lokalhistoriker, die dieser Gegend keine Ruhe vor sich selber gönnen wollen. Gemeinsam mit Kollegen, angedockt an die Universität, die regionalen Schulen und Gemeinden, erforscht man Leben, Vertreibung und weiterenVerbleib der insgesamt 2000 jüdischen Familien.

Reife Zeit

"Das spannende daran", erzählt Hagenhofer, "ist sicher, dass von den 32 Gemeinden der Gegend 29 auch finanziell engagiert sind." Das heiße, man lasse das nicht bloß zu. Man engagiere sich aktiv.

"Die Zeit ist einfach reif", sagt Hans Rädler, Bürgermeister von Bad Erlach und VP-Nationalrat. Mehr noch: überreif. "Es ist schlicht unsere Aufgabe, dort, wo es blinde Flecken gegeben hat, für die nächste Generation die Augen zu öffnen." Glücklicherweise gelinge das über Parteigrenzen hinweg. "Das ist kein politisches Thema."

Frühe Synagoge, späte Kirche

In Rädlers Gemeinde wird 2019 eine Expositur der niederösterreichischen Landesausstellung sich des Themas annehmen. Daraus soll – in enger Kooperation mit dem Jüdischen Museum in Wien – ein ständiges jüdisches Regionalmuseum werden. Der Bürgermeister hat dafür das Haus einer jüdischen Kaufmannsfamilie gekauft.

Wie sehr die jüdische Geschichte die lokale Heimatkunde ist, zeigt Bad Erlach geradezu prototypisch. "Wer weiß zum Beispiel, dass bei uns weitaus länger schon eine Synagoge stand als eine katholische Kirche?" Neben Wiener Neustadt und dem nahen Kobersdorf war hier eine dritte Schul‘. Die katholische Kirche entstand dann erst 1933.

Schulprojekt

Mit solchen Geschichtsprojekten in der unmittelbaren Lebensgegend werden, sind nicht nur Johann Hagenhofer und Hans Rädler überzeugt, die jungen Menschen mitgenommen auf eine sehr anschauliche Zeitreise. Gernot Braunstorfer, der Direktor des Gymnasiums Sachsenbrunn in Kirchberg am Wechsel hat unlängst eine Zeitgenossin der Vertreibung der Juden zu Gast auf einem Gesprächspodium in der Schule gehabt. Sie diskutierte da mit zwei jungen Afghanen, die hier das Gymnasium besuchen. Bei allen Unterschieden im Detail: Im Großen und Ganzen hätten alle drei Ähnliches zu erzählen gehabt. Das sei auch ein Hintersinn des Projekts: "Das gerade Aktuelle durch die Geschichte einordbarer zu machen."

Alte Schul‘

Die Gemeinde Kobersdorf ist, obwohl im Burgenland gelegen, zumindest stets präsenter Teil des Projekts. Denn viele der Juden in der Buckligen Welt, Kaufleute vor allem, stammten von dort und waren in der dortigen Synagoge geistlich daheim. Kobersdorf war eine der berühmten Esterházy‘schen Siebengemeinden. Und hier steht auch noch, vis à vis des Schlosses, worin allsommerlich Theater gespielt wird, die alte Schul‘, die ein Verein zum Unwillen der Kultusgemeinde kulturell bespielt.

Anfang September wird in der Nähe dieser Synagoge ein Mahnmal errichtet werden. Mit Verve und gegen manche Widerrede hat sich diesbezüglich der rote Altbürgermeister Erwin Hausensteiner – Autor einer umfassenden jüdischen Ortsgeschichte – dafür ins Zeug gelegt. Der Entwurf stammt immerhin vom 2015 verstorbenen Ernst Fuchs, dessen Familie väterlicherseits hier wurzelte. (Wolfgang Weisgram, 20.5.2017)