Innsbruck – Ein Angeklagter ist am Freitag nach der Urteilsverkündung am Innsbrucker Landesgericht kurzerhand aus dem Fenster gesprungen und geflohen. "Der Mann nutzte die Beratungssituation mit seinem Verteidiger aus, rannte zum Fenster, riss dieses auf und sprang hinaus", schilderte der Sprecher des Landesgerichts, Andreas Stutter.

Der Mann floh daraufhin in die Altstadt. Dort wurde er rund eine halbe Stunde nach seinem Entkommen von einem Großaufgebot von Polizei und Justizwache festgenommen.

Angeklagter dürfte Tiefgaragen-Räuber sein

Bei dem geflohenen Angeklagten handelte es sich um jenen 26-jährigen Kroaten, der beschuldigt wird, im vergangenen Dezember eine Überfallserie auf drei Frauen in Innsbrucker Tiefgaragen verübt zu haben. Dies sagte Staatsanwaltschaftssprecher Hansjörg Mayr. Am heutigen Freitag war der Mann jedoch wegen Einbrüchen vor Gericht gestanden.

Im Zuge der Ermittlungen zu den Raubüberfällen konnten dem 26-Jährigen laut Staatsanwaltschaft eine Reihe von Einbrüchen nachgewiesen werden. Weswegen er sich am Freitag vor dem Strafrichter einfinden musste.

Ermittlungen wegen versuchten Mordes

Im Zusammenhang mit den Überfällen in den Tiefgaragen wird gegen den Kroaten in zwei Fällen auch wegen versuchten Mordes ermittelt. Das erste Opfer war eine 34-jährige Schwangere, die am 20. Dezember gegen Mittag in einer Tiefgarage im Gewerbegebiet Mühlau/Arzl von hinten niedergeschlagen und beraubt wurde. Der Angreifer machte sich danach mit einem Fahrrad aus dem Staub.

Einen Tag später wurde die Tochter des bekannten Schauspielers Karl-Heinz Böhm, Sissy Böhm, Opfer des Gewalttäters. Die 61-Jährige wurde in der Tiefgarage ihres Hauses in ein Auto gezerrt und entführt. Ein Unfall in Hall stoppte schließlich die Entführungsfahrt. Die 61-Jährige schwebte daraufhin in Lebensgefahr.

Psychiatrisches Gutachten noch ausständig

Die Handschellen klickten für den 26-Jährigen schließlich am 22. Dezember. Er wurde in Zirl festgenommen, nachdem er bei einer Verfolgungsjagd gegen eine Mauer gefahren und anschließend zu Fuß geflüchtet war. Zuvor soll der Kroate abermals eine 61-Jährige Frau in einer Tiefgarage attackiert, beraubt und sich mit ihrem Pkw aus dem Staub gemacht haben.

Die Ermittlungen in den Fällen sind noch nicht abgeschlossen, erklärte Mayr. So sei noch ein psychiatrisches Sachverständigengutachten sowie der Abschlussbericht des Landeskriminalamtes ausständig.

Ministerium untersucht Vorfall

Die Justizwachebeamten befanden sich zum Zeitpunkt der Flucht des Angeklagten im Verhandlungssaal, präzisierte Gerichtssprecher Andreas Stutter. Wie die "Tiroler Tageszeitung" auf ihrer Online-Seite berichtete, geleiteten sie den Mann in Richtung Ausgangstüre zum Gang vor den Verhandlungssälen, damit sich dieser dort mit seinem Anwalt besprechen konnte.

Kurz vor Erreichen der Türe machte der Kroate jedoch eine abrupte Kehrtwendung und lief durch den Verhandlungssaal. Er riss vor dem noch diktierenden Richter das Fenster auf und sprang vom ersten Stock des Landesgerichts in ein Gesträuch außerhalb des Gerichtsgebäudes.

Indes leitete das Justizministerium eine Untersuchung des Vorfalls ein. Man überprüfe, ob es Verfehlungen gegeben habe, sagte General Josef Schmoll, für Fragen des Strafvollzugs im Ministerium zuständig, der APA. Justizwachebeamte müssten vor Gericht jedenfalls immer bei einem Angeklagten verbleiben, so Schmoll. (APA, 19.5.2017)