Marie Ringler, Freitag von den Grünen in den ORF-Stiftungsrat entsandt, formal macht das danach die Bundesregierung.

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Wien – Marie Ringler wird neue Stiftungsrätin der Grünen im ORF. Vorgeschlagen noch von Eva Glawischnig, beschlossen am Freitag vom erweiterten Parteivorstand am Rande seiner Obfraudebatte. "Ich lege meine Funktion im Stiftungsrat streng unparteiisch und unabhängig an – wer Parteichef oder Parteichefin ist, ist dabei irrelevant", sagt die frühere Grünen-Politikerin Ringler, heute Europa-Chefin der NGO Ashoka, im Gespräch mit dem STANDARD. Von der Vorstellung bringt sie auch nicht ab, dass gerade ein roter Stiftungsrat sein Mandat auf Zuruf des Medienministers aufgeben musste.

Stiftungsräte des ORF sind laut Gesetz unabhängig, weisungsfrei und können von ihrem Entsender nicht vorzeitig abberufen werden. Sozialdemokrat Rudolf Ertl hat sein Mandat gerade auf Geheiß von Medienminister Thomas Drozda (SPÖ) zurückgelegt, schreibt er seinen Fraktionskollegen – auch Fraktionen gibt es offiziell nicht im ORF-Stiftungsrat.

"Vom ORF die Finger lassen"

"Der ORF kann nur überleben, wenn die Politik wirklich ihre Finger vom ORF lässt", warnt Ringler: "Und es geht um nichts weniger als das Überleben des ORF in den nächsten Jahren. Völlig unabhängig von allem österreichischen Polit-Hickhack ist die viel wesentlichere Frage für das Unternehmen: Was passiert im Markt – und wie geht der ORF damit um?" Ringler verweist da etwa auf digitale Bewegtbildplattformen und nichtlineare TV-Nutzung, auf immer kleinere, fragmentiertere Zielgruppen, Interessen, Nischen. "Das ist die eigentliche Herausforderung: Was muss der ORF tun, um zukunftsfähiger zu sein? Auf die Antworten kommt es an – und nicht darauf, was der siebente Zwerg von links einer Partei sich wünscht. Die Politik soll dem ORF den Raum geben, sich als Unternehmen im Sinne der Öffentlichkeit weiterzuentwickeln, statt hineinzuintervenieren."

Nun ist Ringler in den Stiftungsrat, das oberste Aufsichtsgremium, entsandt und nicht etwa ins Management – was kann ein Aufsichtsrat dazu beitragen? "Ich bin hier weder Programmgestalterin noch Managerin", sagt Ringler: "Es gibt hier schon zu viele Leute, die ihr Mandat überschreiten." Sie könne "Fragen in die Debatte einwerfen, diskutieren, zuhören, auch im Unternehmen, Rahmen und Raum schaffen", sagt Ringler.

Information nach Farben aufgeteilt "wie an der Kindergartengarderobe"

Raum wofür? "Im ORF gibt es exzellente Journalisten und tolle Programmmacher. Ihnen muss man innerhalb Raum geben, wirklich Neues zu entwickeln."

Den drei großen Parteien und ihren Stiftungsräte scheint der Raum für die ORF-Journalisten eher zu weit, jedenfalls deuten darauf die Pläne hin, die Fernsehinformation unter zwei neuen Channel-Managern aufzuteilen. Wie sieht Ringler diese Debatte über "Verhöre" im TV-Studio? "Der ORF muss 'der' Ort für unparteiische, faktenorientierte Berichterstattung sein. Und für eine konstruktive Debattenkultur, und dazu gehören insistierende Interviews, aber auch das Aufzeigen von Lösungen und die Vielfalt von Meinungen. Wie man das am besten organisiert, ist dann eine andere Frage. Schön nach Farben aufgeteilt wie an der Kindergartengarderobe ist jedenfalls kein Zukunftsmodell."

Regionalinfo ohne altvaterisches Wohlfühlfernsehen

Wiewohl "nicht Programmgestalterin", nennt Ringler durchaus inhaltliche Anregungen: Constructive News, also Nachrichten mit Hinweisen auf Lösungsmöglichkeiten, etwa. "Konstruktive Debattenkultur". Oder: "Wie kann regionale Berichterstattung abseits von altvaterischem Wohlfühlfernsehen aussehen? Wie kann der ORF dazu beitragen, Öffentlichkeiten mit regionalem Bezug zu schaffen?"

"Als Frau der Zivilgesellschaft" will Ringler den ORF zu mehr "Kooperationen mit der Zivilgesellschaft" motivieren. Initiativen wie "Mutter Erde" gingen schon in diese Richtung und wären auszubauen. Menschen zu zeigen, "die handeln, anpacken, Lösungen aufzeigen, Ideen haben für die Herausforderungen der Gesellschaft. Zivilgesellschaft in ihrer ganzen Breite zeigen, lokale Initiativen ebenso, wie die Greenpeaces und anderen NGOs dieser Welt."

Ringler ist Europa-Chefin einer Nichtregierungsorganisation namens Ashoka. Die unterstützt – von Mäzenen, Stiftungen und Spenden finanziert – "Social Entrepreneurs, Menschen, die mit unternehmerischem Geist gesellschaftliche Probleme lösen". Wie Mohammed Yunnus, Gründer der Mikrokreditbank Grameen, Wikipedia-Gründer Jimmy Wales oder Oren Yakobovich, Gründer von Videreonline (http://www.videreonline.org/) – die Plattform unterstützt bei der Videodokumentation von Menschenrechtsverletzungen. (fid, 19.5.2017)