Nach dem Wechsel an der ÖVP-Spitze folgt der nächste Rückzug eines Parteichefs: Die grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig hat am Donnerstag ihren Rücktritt bekanntgegeben. "Jetzt ist der Zeitpunkt, die Führung abzugeben", sagte Glawischnig bei einer Pressekonferenz im Parlament. "Es ist eine zutiefst persönliche Entscheidung. Ich werde alle Funktionen zurücklegen." Glawischnig tritt somit von allen Partei- wie Nationalratsfunktionen zurück. "Es hat körperliche Warnsignale gegeben, die ich ernst nehmen musste. Ich habe meiner Familie gegenüber eine Verantwortung", so Glawischnig.

Wer die Nachfolge in der Partei übernimmt, blieb vorerst offen. Die scheidende Parteichefin verwies auf den erweiterten Bundesvorstand am Freitag in Salzburg. Eine persönliche Empfehlung verweigerte sie, verwies aber auf die Bedeutung von Frauen in politischen Führungspositionen.

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Ihre Entscheidung zum Rückzug sei "eine zutiefst persönliche" gewesen, sagte Glawischnig, die mehrfach mit den Tränen kämpfte. Getroffen habe sie diese, als klar war, dass es bald Neuwahlen geben werde. Einen sonstigen unmittelbaren politischen Anlass bestritt sie. Sie wolle ihren Kindern weiter in Gesundheit zur Verfügung stehen.

Appell an Parteien

Glawischnig appellierte bei ihrer Abschiedspressekonferenz an die Parteien, sich darauf zu besinnen, "was wirklich relevant ist", und sich nicht darauf zu konzentrieren, wie man Wählerängste mobilisiere. Als "überzeugte Parlamentarierin" warnte sie auch vor dem "Wunsch und Konzept des sogenannten starken Mannes".

Sie selbst, die "Kärntner Wirtshaustochter", habe als Umweltaktivistin und Juristin begonnen und als Quereinsteigerin bei den Grünen ihre politische Heimat gefunden. Lange sei sie Nummer zwei hinter Alexander Van der Bellen gewesen, und 2008 habe sie die Parteispitze übernommen. "Jetzt ist für mich der Zeitpunkt gekommen, diese Führung abzugeben."

Glawischnig erinnerte an ihre politischen Erfolge, zuallererst den nach langen Jahren geschafften Einzug in den Kärntner Landtag: "Das einzige Mal, wo mir Johannes Voggenhuber (der langjährige EU-Mandatar war einer ihrer vehementesten Gegner in der Partei, Anm.) gratuliert hat."

Als sie die Partei übernommen habe, habe man ihr prophezeit, sie werde nach Van der Bellen ein Drittel der Wähler verlieren. Stattdessen habe man als Team "die erfolgreichste Phase in Österreich" geschafft, mit Zugewinnen in Nationalrats- und Landtagswahlen, fünf Prozent plus bei den Europawahlen und vielen Beteiligungen in Landesregierungen. Als Höhepunkt nannte sie das Projekt, Alexander Van der Bellen als ersten grünen Präsidenten Europas in die Hofburg zu bringen. "Das habe ich und wir maßgeblich unterstützt."

"Körperliche Warnsignale"

Wichtig sei es, mutig zu sein. Die Sicherung der Lebensgrundlagen, Umwelt- und Klimaschutz, Gleichstellung und Seriosität in der Politik nannte sie als ihre Hauptthemen. Zum Rücktritt bewegt hätten sie auch "körperliche Warnsignale, die ich ernst nehmen muss". Als Mutter, die von ihren Kindern noch gebraucht werde, habe sie ihre Gesundheit nicht weiter aufs Spiel setzen wollen, erinnerte sie an ihren kürzlich erlittenen allergischen Schock. Sie bedankte sich bei ihren Mitarbeitern, Weggefährten und ihrer Familie.

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Sie erinnerte an die verstorbenen SPÖ-Politikerinnen Barbara Prammer und Sabine Oberhauser, denn beide seien für Lösungen und Sachlichkeit gestanden, nicht für ein "Duell der Eitelkeiten". "Ich war sehr oft die einzige Frau in politischen Runden", stellte sie fest und meinte, wenn es mehr Frauen in Führungspositionen gäbe, würde die politische Kultur anders aussehen.

An alle Social-Media-Nutzer appellierte sie weiters, die Debattenkultur zu verändern, damit nicht der Hass dominiert. Als Privatperson werde sie auch weiterhin gegen Hass im Netz mit Musterklagen vorgehen. Dies will sie "mit aller Kraft weiter betreiben".

Kritik an Medien

Auch "einige Persönlichkeiten" in der Medienbranche kritisierte sie, da diese das Klima in der Republik "regelrecht vergiften" und journalistische Sorgfalt vermissen ließen – oder weil sie "einfach sexistische Machos sind". Bei dem Medientermin saß übrigens auch der "Krone"-Kolumnist Michael Jeannée, der Glawischnig immer wieder in seiner Kolumne heftigst angegriffen hatte, im Publikum.

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Zu ihrer Nachfolge wollte sie nicht äußern, dies sei Entscheidung der Parteigremien, die am Freitag in Salzburg tagen. "Ich werde mich nicht mehr zu Wort melden", sagte Glawischnig, zeigte aber eine klare Präferenz für Frauen in Führungspositionen.

Als potenzielle Nachfolgerinnen werden unter anderen die Tirolerin Ingrid Felipe und EU-Mandatarin Ulrike Lunacek genannt, beide sagten am Donnerstag zumindest nicht Nein. Kampagnenmanager Lothar Lockl winkte hingegen ab. Unklar blieb, ob schon am Freitag eine Festlegung erfolgt. Gewählt wird die neue Parteichefin Ende Juni auf einem Bundeskongress, wo auch über die Spitzenkandidatur für die Nationalratswahl im Oktober 2017 entschieden wird.

Nach dem Rückzug übernahmen Felipe und Werner Kogler interimistisch die Leitung der Grünen. Ihr Nationalratsmandat legt Glawischnig erst mit der nächsten Plenarsitzung zurück. Stellvertretende Klubchefs sind Gabi Moser und Albert Steinhauser. (APA, Video: Maria Von Usslar 18.5.2017)