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Wütende Demonstranten fordern den Rücktritt des brasilianischen Präsidenten.

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Die Polizei setzt Pfefferspray ein.

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Temer unter Druck.

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Brasília – In die "Temer raus!"-Sprechchöre der Demonstranten vor dem Palácio do Planalto in der brasilianischen Hauptstadt Brasília mischt sich rhythmisches Trommeln auf Kochtöpfen. Adressat der Rücktrittsaufforderung ist jener Mann, der erst vor einer Woche den ersten Jahrestag seines Einzugs in den Palast an der Praça dos Três Poderes gefeiert hat: Michel Temer, konservativer Präsident des lateinamerikanischen Landes und im Mittelpunkt einer Korruptionsaffäre, deren Ausmaß erst jetzt zur Gänze bekannt wird.

Jüngste Volte in der Korruptionscausa ist ein Tonband, das laut der Zeitung "O Globo" belegt, dass Temer dabei geholfen hat, mithilfe von Schmiergeld einen Mitwisser zum Schweigen zu bringen. Kommentatoren sprachen von einer "Atombombe, die über dem Land explodiert". Entsprechend hitzig ist dann auch die Atmosphäre bei der Demonstration, die Polizei setzt Pfefferspray ein.

Heikles Treffen

Dem Portal "O Globo" zufolge geht es um ein Treffen zwischen Temer und Unternehmern, gegen deren Konzerne ermittelt wird. Der Präsident soll dabei seinen Willen bekundet haben, den inhaftierten früheren Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha mit einer Geldzahlung zum Schweigen zu bringen. Cunha, der ebenso wie Temer dem Partido do Movimento Democrático Brasileiro (PMDB) entstammt, hatte 2016 das Amtsenthebungsverfahren gegen die linke Präsidentin Dilma Rousseff initiiert, das Temer erst ins Amt hievte. Von seinem früheren Verbündeten enttäuscht, droht Cunha nun auszupacken. Selbst war er über Konten gestolpert, die er in der Schweiz mit Millionen im Zusammenhang mit dem Petrobras-Skandal gefüllt haben soll. Seit Herbst 2016 ist er in Haft.

Cunha soll Details zu dem Skandal um Schmiergeldzahlungen an führende Politiker des Landes haben. Laut "O Globo" soll der PMDB-Abgeordnete Rodrigo Rocha Loures dabei gefilmt worden sein, wie er einen Geldkoffer mit umgerechnet etwa 146.000 Euro entgegennahm. Temer höchstpersönlich soll ihn mit dem Lösen der Sache beauftragt haben. Das Geld soll von dem an dem Gespräch mit Temer beteiligten Unternehmer Joesley Batista stammen, der gemeinsam mit seinem Bruder den Fleischproduktionsriesen JBS leitet.

Abmachung

Batista soll dabei das Gespräch mit Temer aufgezeichnet haben und dem Obersten Gerichtshof als Teil einer Abmachung das Band ausgehändigt haben. Auch von anderen prominenten Politikern soll auf den Tonbändern die Rede sein, darunter der frühere Präsidentschaftskandidat Aecio Neves, ein Sozialdemokrat, und Guido Mantega, der im Kabinett der gestürzten Präsidentin Rousseff Finanzminister war.

Deren Partei, der linke Partido dos Trabalhadores, forderte Temers sofortigen Rücktritt und Neuwahlen. Rousseff ist der Ansicht, ihr Sturz habe einzig den Zweck verfolgt, Temer und seine Mitstreiter vor Strafverfolgung zu bewahren.

Acht Minister Temers stehen unter Korruptionsverdacht. In dem Skandal, den die Medien "Lava Jato", auf Deutsch "Autowäsche", tauften, geht es um jahrelange Schmiergeldzahlungen bei Auftragsvergaben des Ölriesen an Bauunternehmen. 2014 hatten die Behörden um den gefeierten Richter Sergio Moro im südbrasilianischen Curitiba damit begonnen, das Netzwerk aufzudecken.

Die Präsidialkanzlei dementierte jede Verwicklung des Präsidenten in den Skandal. Der Präsident habe niemals Zahlungen für das Schweigen Cunhas vorgeschlagen. Das Treffen mit dem Unternehmer hingegen wurde bestätigt. (flon, 18.5.2017)