Wien – Steuern zahlt wohl niemand besonders gerne. Dass wir es trotzdem tun, ist wohl zumindest zum Teil den Gesetzen zu verdanken, die in dieser Angelegenheit nicht unbedingt eine Freiwilligkeit vorsehen. Wäre dem jedoch so, würden wir dann trotzdem unseren Beitrag leisten, weil wir dies als moralische Verantwortung gegenüber der Gesellschaft empfinden? Wirtschafts- und Neuropsychologen der Universität Wien haben nun die Auswirkung von unterschiedlichen Maßnahmen von Steuerbehörden auf Steuerentscheidungen untersucht und dabei einen ein überraschenden Effekt beobachtet.

Eine mit Zwang arbeitende Steuerbehörde fokussiert auf strenge Kontrollen und Strafen. Im Gegensatz dazu setzt eine Steuerbehörde, die mit Legitimität arbeitet, auf Nachvollziehbarkeit und professionelle Unterstützung der Steuerzahler. Ein Team um Katharina Gangl und Daniela Pfabigan – beide sind mittlerweile an der Universität Göttingen bzw. an der der Universität Peking tätig – haben sich in zwei Experimenten näher mit der Frage beschäftigt, ob diese Entscheidungen von den jeweiligen durch Zwang oder Legitimität geprägten Rahmenbedingungen der Steuerbehörde abhängig sind und ob unterschiedliche neuronale Prozesse dafür verantwortlich sein könnten.

Fiktive Staaten mit unterschiedlichen Steuersystemen

In beiden Experimenten wurden die Versuchsteilnehmer gebeten, Steuerentscheidungen in zwei fiktiven Staaten zu treffen. Die Hälfte der Steuerentscheidungen fanden in einem Staat statt, dessen Steuerbehörde mit Zwang arbeitet; die zweite Hälfte in einem Staat, dessen Steuerbehörde mit Legitimität arbeitet. Die jeweils aktuelle Steuerbehörde wurde detailliert beschrieben. Die Probanden konnten anschließend in mehreren Runden entscheiden, ob sie ihr fiktives Jahreseinkommen versteuern oder nicht.

Am ersten Experiment nahmen 80 Personen teil. Hier stand die Entscheidungsdauer im Vordergrund – werden Steuerentscheidungen unterschiedlich schnell getroffen, je nachdem ob die Behörde mit Zwang oder Legitimität arbeitet? Im zweiten Experiment wurde zusätzlich die Hirnaktivität mittels Elektroencephalographie (EEG) gemessen, damit die Wissenschafter den exakten Zeitverlauf des Entscheidungsprozesses noch genauer nachvollziehen konnten. Außerdem mussten die Probanden die bearbeiteten Steueraufgaben mittels eines Fragebogens individuell beurteilen.

Auf der Verhaltensebene zeigte sich rasch, dass sowohl Zwang als auch Legitimität zu ähnlich hoher Steuerehrlichkeit führten – allerdings aus unterschiedlicher Motivation. Während die Versuchspersonen unter Zwang angaben, Steuern lediglich zu zahlen, weil sie mussten, berichteten sie unter Legitimität, dass sie auch freiwillig Steuern abgeführt hätten.

Überraschende Beobachtung

Auf neuronaler Ebene offenbarte sich hingegen ein überraschender Effekt, wie die Wissenschafter im Fachjournal "Social Cognitive and Affective Neuroscience" berichten: Steuerentscheidungen unter Zwang waren einfacher zu treffen als unter Legitimität. Während der Zwang vermutlich einfach zu kalkulierende Prozesse auslöst, dürfte Legitimität zu einem komplexeren Konflikt zwischen Selbstinteresse (dem Einbehalten der zu zahlenden Steuern für eigene Zwecke) und dem Gemeinwohl der Gesellschaft führen.

Die Wissenschafter vergleichen ihre Beobachtung im Labor mit dem Phänomen des Schnellfahrens im Straßenverkehr. "Angedrohte Kontrollen und Strafen führen dazu, dass man seinen Fahrstil nur deshalb anpasst, weil man einer Strafe entgehen will. Der eigentliche Zweck der Geschwindigkeitsbeschränkungen – nämlich die Sicherheit für alle VerkehrsteilnehmerInnen zu erhöhen – gerät dabei in Vergessenheit", so Gangl.

"Umgekehrt dürfte der Ansatz der Legitimität, der das nachvollziehbare Erklären von Sachverhalten beinhaltet, zum Nachdenken anregen und moralische Aspekte in den Vordergrund rücken", ergänzt Pfabigan. Dies bewirke offenbar, dass man deshalb langsam fährt oder eben Steuern bezahlt, weil man seinen Betrag zum Gemeinwohl leisten will. (red, 20.5.2017)