Skopje – Der mazedonische Präsident Gjorge Ivanov hat sich nach langer Weigerung nun doch entschlossen, den Chef der Sozialdemokraten (SDSM), Zoran Zaev, mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Das teilte das Kabinett des Staatsoberhaupts laut Medienberichten am Mittwoch in einer kurzen Aussendung mit.

Ivanov, ein Vertrauter der bisher regierenden, nationalkonservativen Partei VMRO-DPMNE von Ex-Premier Nikola Gruevski, hatte sich seit Anfang Februar geweigert, Zaev das Regierungsmandat zu erteilen. Dabei hatte sich dieser an der Spitze einer Koalition mit drei Parteien der albanischen Volksgruppe eine klare Parlamentsmehrheit von 67 von 120 Mandaten gesichert. Ivanov wandte sich offiziell gegen das akkordierte Regierungsprogramm. Dieses würde die Einheit Mazedoniens gefährden, meinte Ivanov mit Blick auf Pläne, den Gebrauch der albanischen Sprache in den staatlichen Institutionen zu erweitern.

Laut Medienberichten versicherten Zaev und seine Koalitionspartner Ivanov schriftlich, dass ihr Regierungsprogramm weder die mazedonischen Verfassung noch die Gesetze verletzen würden.

Tiefe politische Krise

Mazedonien steckt seit der Parlamentswahl April 2014 in einer tiefen politischen Krise. Der SDSM hatte den Wahlsieger, die VMRO-DPMNE, damals der Wahlmanipulation mit Wählerverzeichnissen beschuldigt, in denen sich Hunderttausende Karteileichen befunden haben sollen. Die Krise spitzte sich 2015 durch das Auftauchen zahlreicher Affären weiter zu. Als Opposition machten die Sozialdemokraten Regierungschef Gruevski für Wahlfälschungen, Korruption, eine Massen-Abhöraffäre und die Gängelung der Medien verantwortlich.

Zuletzt spitze sich die Lage nach den vorgezogenen Parlamentswahlen im Dezember zu. Die Nationalkonservativen wurden zwar wieder stärkste Partei, fanden aber keine Koalitionspartner mehr. Als die neue Parlamentsmehrheit den Albaner Talal Xhaferi von der Demokratischen Integrationsunion (DUI) – davor Regierungspartnerin Gruevskis – zum neuen Parlamentspräsidenten wählte, stürmten Anhänger der VMRO-DPMNE das Parlament. Gut 100 Personen wurden verletzt, darunter acht Abgeordnete.

Ivanov lenkte ein, knapp bevor am Freitag die gesetzliche Frist für den Regierungsauftrag abgelaufen wäre. Xhaferi hatte vor wenigen Tagen angekündigt, dass die Regierung auch an Ivanov vorbei gebildet werden könnte, sollte er die Frist nicht einhalten.

Sonderstaatsanwaltschaft ermittelt

Ohne Immunität und Einflussmöglichkeiten müssen Gruevski und seine engsten Mitarbeiter Gefängnis fürchten. Ihnen wird von einer Sonderstaatsanwaltschaft schwere Kriminalität, Korruption, die Bespitzelung Zehntausender unbescholtener Bürger und die Gängelung von Medien und Justiz vorgeworfen.

Unterdessen haben sich Anhänger der VMRO-DPMNE an das Verfassungsgericht mit dem Antrag gewandt, die Wahl Xhaferis zum Parlamentspräsidenten zu prüfen. Nach Meinung der Organisation "Für ein gemeinsames Mazedonien" war seine Wahl nicht im Einklang mit der Verfassung. Die nicht-staatliche Organisation hatte wochenlang Proteste in Skopje und anderen mazedonischen Städten gegen die neue Parlamentsmehrheit um den Sozialdemokraten Zaev veranstaltet. (APA, 17.5.2017)