"Jetzt des Amtes entheben", fordert dieser Trump-Gegner.

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Washington – Als fast alle falsch lagen, lag Allan Lichtman richtig: Der Historiker gehörte zu den wenigen, die Donald Trumps Präsidentschaftswahlsieg vorhersagten – auch in einer Phase, in der die meisten Umfrageinstitute dem Immobilienmagnaten keine Chance gaben. Trump, erzählt Lichtman, habe ihm später ein Exemplar der Zeitung geschickt, in der er seinen Tipp begründete, und es mit einer Widmung versehen: "Gratuliere, Professor! Gut gesehen!"

Was Trump damals nicht wusste oder nicht wahrhaben wollte: Noch vor dem Votum prophezeite Lichtman auch, dass es der US-Präsident nicht über die volle Amtszeit schaffen werde, sondern zuvor seines Amtes enthoben werde. Solche Prognosen haben jetzt Hochkonjunktur, da Trump FBI-Direktor James Comey feuerte und damit den Eindruck erweckte, er wolle potenziell brisante Ermittlungen abwürgen. Harvard-Absolvent Lichtman, der heute an der American University in Washington lehrt, legte sich bereits fest, als andere Trump im Weißen Haus noch für ein Ding der Unmöglichkeit hielten.

In den Monaten nach der Wahl hat Lichtman ein Buch geschrieben, um seine These zu untermauern. Es trägt den Titel "The Case for Impeachment", und bevor Lichtman es aufschlägt, um in einer Buchhandlung daraus zu lesen, schickt er einen Schnellkurs in Verfassungsrecht voraus.

Die Gründerväter der USA, doziert er, hätten es eben nicht der Justiz überlassen, darüber zu befinden, ob sie einen Präsidenten aus dem Amt entferne. Vielmehr sei es ein rein politisches Verfahren, nicht an eine konkrete Straftat gebunden. Voraussetzung ist, so definierte es 1788 Alexander Hamilton, ein "Fehlverhalten öffentlicher Personen – mit anderen Worten: der Missbrauch öffentlichen Vertrauens". In einem ersten Schritt muss die Mehrheit der Abgeordneten im Repräsentantenhaus dafür stimmen. Das heißt, angesichts der aktuellen Mehrheitsverhältnisse müssten sich neben den Demokraten etwa zwei Dutzend Republikaner gegen Parteifreund Trump stellen.

So unvorstellbar sei das gar nicht, argumentiert Lichtman. Zwar wollten die Konservativen zunächst ihre zentralen Projekte durchsetzen: die Abwicklung der Gesundheitsreform Barack Obamas, außerdem massive Steuersenkungen. Dafür bräuchten sie Trump. Doch sobald sie ihre Ziele erreicht hätten und sich der erratisch regierende Präsident nur noch als Belastung erweise, seien sie durchaus bereit, ihn fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel. In dem Moment, orakelt Lichtman, stehe einem Impeachment (Verfahren zur Amtsenthebung) nichts mehr im Wege.

Bisher kennt die US-Geschichte zwei Fälle, in denen der Kongress die Reißleine zog, wenn auch nicht mit letzter Konsequenz: 1868 traf es den Südstaatler Andrew Johnson, der nach dem Bürgerkrieg bremste, als die hart erkämpften Rechte befreiter Sklaven in der Praxis durchgesetzt werden sollten. Und 1998 war es dann Bill Clinton, der im Zuge der Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky unter Eid gelogen hatte. In beiden Fällen scheiterte das Procedere an einer hohen Hürde: Nur wenn sich im Senat eine Zweidrittelmehrheit findet, führt es zu einem Ergebnis. Richard Nixon wiederum kam dem Impeachment zuvor, indem er 1974 auf dem Höhepunkt des Watergate-Skandals zurücktrat.

Es sind die Parallelen zu Nixon, die Lichtman an ein vorschnelles politisches Ende Trumps glauben lassen. Verblüffende Parallelen, schreibt er in seinem Buch. "Beide sind zwanghaft davon besessen, von eigener Schuld abzulenken. Beide sind innerlich zutiefst verunsichert. Beide neigen zur Geheimniskrämerei und streben an, alles unter Kontrolle zu haben, ohne dass jemand widerspricht." (fh, 17.5.2017)