Sebastian Kurz, designierter ÖVP-Chef.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Resignation, Gleichgültigkeit und ein Funke Hoffnung: So könnte man die Stimmung beschreiben, die sich bei vom STANDARD befragten Passanten in der Wiener Innenstadt angesichts der jüngsten politischen Ereignisse breitmacht.

"Kurz wird uns guttun", sagt Franz. Er hat als Beamter im Wirtschaftsministerium gearbeitet und will seinen richtigen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen. Schließlich wolle er auch in Zukunft noch seine Kollegen im Ministerium besuchen, ohne "mit dem nassen Fetzen davongejagt" zu werden. Dass sich der designierte ÖVP-Obmann Sebastian Kurz "bei den Großkopferten" – gemeint sind die Kollegen in der ÖVP – durchsetzen konnte, verwundert den Wiener. Denn für Junge sei es schwer, in der Politik etwas zu werden.

Schließlich gebe es genug Alte, die auf gute dotiere Posten "spitzen". Angesichts seines Durchsetzungsvermögens innerhalb der Partei würde er Kurz auch zutrauen, Bundeskanzler zu werden und als solcher viel zu bewegen. Gelöst werden müsse etwa die "Einwandererproblematik". Trotz der aktuellen Verwerfungen hält der pensionierte Beamte eine Koalition zwischen ÖVP und SPÖ für am sinnvollsten.

Die FPÖ in der Regierung habe er selbst in seiner aktiven Zeit als Beamter erlebt. "Da hat sich gezeigt, die Blauen verstehen vom politischen Handwerk nichts, denen geht es nur darum, ein möglichst dickes Dienstauto zu bekommen." Die Analyse, dass die SPÖ und die ÖVP für längere Zeit nicht mehr als Koalition auftreten werden, kann er nicht teilen. "Es passiert so viel hinter den Kulissen", sagt Franz. Für Detailfragen, etwa wer die Neuwahlen verursacht hat, interessiere er sich nicht. Einen Tipp hätte er allerdings für Kurz: "Er muss den Sobotka loswerden."

Angst vor Rechtsruck

"Was sich da zusammenbraut, ist zum Fürchten", sagt Hermann, 49 Jahre alt. Er arbeitet aushilfsweise als Straßenreiniger. Angst hat er vor "dem Rechtsruck und dem Rassismus" in der Gesellschaft. Hätte er das Geld, würde er mit seinem "Schatzi" nach Cannes auswandern.

Das innenpolitische Geschehen der letzten Tage habe er zwar verfolgt, doch bei der nächsten Wahl will er seine Stimme nicht abgeben. Sein "Schatzi" verdient im Monat 1.500 Euro, weshalb er keine Mindestsicherung bekommt. Er selbst verdient monatlich 270 Euro. Als Kreisky an der Macht war, seien das goldene Zeiten gewesen, er war lange Zeit ein "Erzroter". Doch die SPÖ sei für ihn heute nicht mehr wählbar. Warum? Er fühlt sich von den Roten im Stich gelassen. Als Beispiel nennt er die Bereitschaft der SPÖ, die Arbeitszeit flexibler zu gestalten. "Zuerst sagen sie, der Zwölf-Stunden-Tag soll nur in Ausnahmefällen gelten. Aber am Ende kommt er für alle, und die Alten werden wegrationalisiert."

Auch sein Kollege, ein eingebürgerter Türke, erzählt, dass er früher roter Stammwähler war. Doch Bundeskanzler Kern habe über die Türken geschimpft, weshalb für ihn die SPÖ nicht mehr wählbar sei. Welche Aussage ihn genau gestört hat? Es seien mehrere gewesen. Er erwarte sich von der Regierung, dass die "ruhig ihre Arbeite macht". Und jedenfalls nicht über Türken schimpft.

"Kurz muss zeigen, was er kann"

Ob sie die politischen Ereignisse in den vergangenen Tagen verfolgt hat? "Ja selbstverständlich", Sebastian Kurz kenne sie aus Meidling. "Ein lieber Kerl, er grüßt immer freundlich", sagt Hilde. Die pensionierte Versicherungskauffrau erzählt, dass sie den Außenminister öfter im Lift trifft. Ihr gefällt, dass Kurz "jung und dynamisch ist". Lieber wäre ihr eine Koalition mit der FPÖ als mit "den Sozialisten". Ob er in den letzten Wochen bis zur Wahl Vizekanzler wird und wer nun letztlich für die Neuwahlen verantwortlich ist, ist für Hilde nachrangig. "Kurz muss jetzt zeigen, was er kann, sonst ist er schneller wieder weg, als er schauen kann."

So wie Hilde haben sich auch zwei Urlauberinnen aus Oberösterreich am Schwedenplatz ein Eis gegönnt. Dass Kurz die ÖVP übernommen hat und bald Neuwahlen anstehen, haben sie nicht mitbekommen. So oder so: Sie werden nicht wählen gehen, denn "es ändert sich sowieso nichts".

Das tagesaktuelle Geschehen lässt auch Pensionist Ludwig ungerührt. Wie alle vom STANDARD befragten Personen will auch er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. "Wissen Sie, ich beobachte das politische Geschehen schon seit 70 Jahren, und es ist in den Jahren nicht besser geworden, eher schlechter." Gemeint sei das politische Personal. Seine Stimme will er "dem Pizzaboten" geben. (Katrin Burgstaller, 15.5.2017)