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Kanzler Christian Kern will noch möglichst viele Punkte aus dem Regierungsprogramm und auch aus seinem Plan A im Parlament zur Abstimmung bringen. Wechselnde Mehrheiten sind möglich.

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Neuwahl ja, aber nicht sofort, sagt Grünen-Chefin Eva Glawischnig.

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Will Minderheitsregierung Kerns nicht stützen: FP-Chef Strache.

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Auch die SPÖ ist bereits im Wahlkampfmodus und schießt sich auf Sebastian Kurz, den mutmaßlich neuen Chef der Volkspartei, ein. "Kurz hat klargemacht und aufgedeckt, warum die letzten Monate permanent blockiert worden ist. Es ist einfach nur darum gegangen, mutwillig Neuwahlen vom Zaun zu brechen", sagte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder am Freitag. Und wenn es jetzt keine Jobs und kein Ausbildungsprogramm gebe, dann sei daran nur einer schuld: Sebastian Kurz.

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Schieder appelliert an die ÖVP, "dass man das, was im Regierungsprogramm ausverhandelt und unterschrieben wurde, noch Wirklichkeit werden lässt". Der SPÖ gehe es jetzt um den Mindestlohn, den Beschäftigungsbonus, die Job-"Aktion 20.000", die Abschaffung der kalten Progression und auch die Reform der Schulautonomie, die immer noch nicht fertig ausverhandelt ist.

Gespräche im Hintergrund

Bundeskanzler Christian Kern will weiterregieren, von der SPÖ werde es keine aktive Unterstützung für einen Neuwahlantrag geben, hieß es. Kern wolle im Parlament noch einzelne Maßnahmen umsetzen, zur Not auch mit wechselnden Mehrheiten. In der "Presse" sagte Kern: "Wenn uns die ÖVP den Stuhl vor die Tür stellt, bedeutet das auch das Ende für eine rot-schwarze Zusammenarbeit für sehr lange Zeit."

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Die Strategie der SPÖ ist klar: Kern will möglichst viele Punkte aus dem Arbeitsprogramm der Regierung, aber auch aus seinem Plan A im Parlament zur Abstimmung bringen – und sich dabei auch Mehrheiten jenseits der ÖVP suchen. Darüber verhandelt Kern bereits im Hintergrund mit den Chefs der Oppositionsparteien.

Dass die Opposition eine Minderheitsregierung von Kern unterstützen könnte, ist aber unwahrscheinlich. Für eine Mehrheit im Parlament bräuchte Kern 92 der 183 Abgeordneten. Mit Grünen und Neos, die eine Unterstützung bei Sachthemen durchblicken lassen, käme die SPÖ auf 84 Abgeordnete. Die SPÖ bräuchte also noch die vier wilden Abgeordneten und die sechs aus dem Team Stronach – oder die FPÖ.

FPÖ will baldige Wahlen

FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl hat sich aber bereits klar für rasche Neuwahlen ausgesprochen. Dass die FPÖ jetzt aus ihrer Oppositionsrolle ausschert und den Kanzler – oder auch Kurz – unterstützt, ist undenkbar. "Da hätten wir einen Vogel", heißt es aus der Parteizentrale gegenüber dem STANDARD. Kickl sagt: "Kern und Kurz sind beide auf ihre Weise der gleiche Typ des politischen Blenders, dem Machterhalt weit wichtiger ist als das Regieren im Interesse der Österreicher." Auch Parteichef Heinz-Christian Strache hatte die Duldung einer roten Minderheitsregierung zuvor ausgeschlossen.

Gegen einen raschen Neuwahlbeschluss sind die Grünen. Deren Parteichefin Eva Glawischnig sagte im STANDARD-Gespräch, ihre Partei werde Neuwahlen nicht vor Ende Juni zustimmen. Vorher müsste der Eurofighter-Untersuchungsausschuss Fahrt aufnehmen und die Bildungsreform unter Dach und Fach gebracht werden, auch die Ökostromnovelle ist aus Sicht der Grünen ein Muss. Sollte der U-Ausschuss abgedreht werden, ohne dass man mit dem Abarbeiten der Ladungsliste begonnen habe, wäre das "ein schwerer Schaden für die Demokratie", so Glawischnig. Die Bildungsreform "nach monatelangen Verhandlungen einfach in den Kamin zu schieben, würde kein Mensch in Österreich verstehen". Die Grünen-Chefin sieht zudem "keinen Grund zur Eile", was einen Neuwahlbeschluss betrifft.

"Bis zum letzten Tag"

Neos-Chef Matthias Strolz sagt, seine Partei werde einen Neuwahlantrag unterstützen. "Die Frage ist noch offen, wann diese Neuwahlen stattfinden werden. Und offen ist, was bis zum Wahltag im Parlament noch erledigt werden kann." Die Neos wollen "jedenfalls bis zum letzten Tag arbeiten". Strolz: "Nachdem die Regierung versagt hat und mehr als die Hälfte der geplanten Vorhaben nicht umgesetzt hat, werden wir darauf drängen, dass das Parlament die Arbeitspakete von der Regierung übernimmt und einige davon noch zum Abschluss bringt."

Ob die SPÖ tatsächlich den Versuch einer Minderheitsregierung starten wird, ist noch offen. Klubchef Schieder wollte das nicht ausschließen, es gebe aber verschiedene Wege, Maßnahmen im Parlament umzusetzen.

Freies Spiel der Kräfte

Im Parlament dürfte bis zur voraussichtlichen Neuwahl im Herbst aber jedenfalls eine Phase des freien Spiels der Kräfte beginnen. Die SPÖ macht darauf aufmerksam, dass ja auch Kurz das gemeinsame Arbeitsprogramm der Regierung unterschrieben hat, dessen einzelne Maßnahmen werde man im Parlament einbringen. Wenn diese gegen die ÖVP beschlossen werden sollten, sei das für die ÖVP besonders peinlich, so die Hoffnung der roten Strategen.

Aus dem Umfeld von Kurz heißt es aber, dass dieser sehr versuchen wolle, jene Punkte aus dem Regierungsprogramm, die bereits ausgemacht und fertig ausverhandelt sind, bis zum Sommer noch umzusetzen. Im September solle es dann einen "kurzen und fairen Wahlkampf" geben, wie es heißt.

Kurz muss jedenfalls mit heftigstem Gegenwind der SPÖ rechnen. Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ) legte bereits am Freitag die ungefähre Linie vor: "Kurz versenkt ein Regierungsprogramm, das er vor wenigen Monaten noch selbst unterschrieben hat", sagte Leichtfried. "Sein Egotrip schadet dem Land." (Lisa Kogelnik, Maria Sterkl, Michael Völker, 12.5.2017)