Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen: In Ridley Scotts Sequel "Alien: Covenant" stürzen sich Natur und Technik aufeinander.

Foto: Twentieth Century Fox

Wien – "There's only death here now, and I'm leaving it behind." So die Warnung der einzigen Überlebenden in Prometheus an die Menschheit, damit zukünftig niemand mehr auf diesem Planeten landen dürfe. Doch nach ihrem langem Überlebenskampf ließ die junge Frau nicht nur den Tod zurück, wie Regisseur Ridley Scott erst mit der letzten Einstellung das Geheimnis preisgab – auch neues Leben war im Begriff zu entstehen. Es war das erste in diesem Film sichtbare Alien.

Es war zugleich eine Wiedergeburt. Als Prometheus vor fünf Jahren in die Kinos kam, waren Erwartungshaltung und Enttäuschung groß. Letztere aber nur bei jenen, die sich von diesem Prequel zu der 1979 von Scott selbst entwickelten, populären Alien-Saga ein weiteres Monsterspektakel im Weltraum erhofften – eine Aufgabe, die dieser Film aber nicht zu erfüllen gedachte und die stattdessen erst vor wenigen Wochen der Sciencefiction-Horror Life routiniert erledigte.

20th Century Fox

Scott hingegen gelang mit seinem Reboot etwas Besonderes: Er verknüpfte die Frage nach der Herkunft der grausigen Kreatur fundamental mit jener der Menschheit. Der finale Kampf zwischen Monster und "Konstrukteur" – jenem muskelbepackten, schneeweißen Hünen, dessen Zivilisation mit ihm zu Ende ging – war somit ein in doppeltem Sinn existenzielles Ringen. Denn auch die Menschheit hatte endlich ihre Ahnherren und Götter gefunden,

Metyphysische Tiefe

Mit Alien: Covenant setzt Scott nun dort fort, wo er mit Prometheus endete, wobei – aber das darf ohnehin als Voraussetzung gelten – das Sequel absolut als eigenständige Arbeit standhalten kann. Der jüngste Teil, dessen Handlung zehn Jahre später und damit einsetzt, dass Crewmitglieder des Kolonieschiffs Covenant auf einem scheinbar ideal zu besiedelnden Planeten landen, erweist sich dabei in mehrfacher Hinsicht als bravouröse Fortsetzung.

Geschrieben von Bond-Autor John Logan (Spectre, Skyfall), folgt Alien: Covenant nämlich einerseits dem klassischen Erzählmuster der Serie, stößt zugleich aber in ungeahnte metaphysische Tiefen vor. Wer in diesem Film etwa die Gedichtzeile "Look on my works, ye Mighty, and despair" aus Ozymandias dem richtigen Autor richtig zuweisen kann, genießt nicht nur bei den zahlreichen dramaturgischen Wendungen einen Vorteil. Die Kulturgeschichte der Menschheit ist mehr als eine Ansammlung von Werken und Ideen: Sie bedeutet immer auch Zerstörung und Untergang.

Ouvertüre in einem grellweißen Raum

Wie seinen Blade Runner eröffnet Scott auch Covenant mit der Großaufnahme eines Auges ("What do you see?"), doch es gehört dem blassen Androiden (Michael Fassbender), der sich angesichts von Michelangelos David-Statue seinen Namen gibt. Diese Ouvertüre in einem grellweißen Raum, ein rhetorischer Abtausch zwischen dem Schöpfer und Androiden, zwischen dem alten Wissen und dem allwissenden Neuen, könnte man in der Folge und angesichts des Schreckens beinahe vergessen. Besser nicht.

Natürlich betritt die nach einem Unfall aus dem künstlichen Tiefschlaf erwachte kleine Truppe der Covenant – soviel sei an dieser Stelle verraten – keine Terra incognita. Doch bereits der Weg dorthin ist viel mehr als das: Scott nimmt sich ausreichend Zeit für diesen beinahe bedächtig anmutenden Prolog, streut Hinweise und legt erste Fährten. Tatsächlich ist es ein mit bissigem Humor inszeniertes popkulturelles Funksignal, das hier als Lockruf funktioniert. Doch schon vor der Landung ist die Stimmung unter der Mannschaft so schlecht wie diese gespalten: Dem gezielt agierenden Androiden David stehen ein schwacher Ersatzkommandant (Billy Crudup) und eine misstrauische Wissenschafterin (Katherine Waterstone) zur Seite. Und die äußere Gefahr, sie führt hier nur zum Schulterschluss, wenn man sich im mannshohen Getreidefeld Rücken an Rücken zur Gegenwehr formiert.

Bildung als Waffe

Dieses an den Vietnamfilm erinnernde Dschungelszenario verlässt man jedoch mit einem ebenso klugen wie überraschenden Schauplatzwechsel, indem sich ein Fluchtort unter Tag bietet. Es ist jener des Ursprungs und des Unheimlichen.

Alien: Covenant basiert auf zwei elementaren Verschiebungen: von der kämpfenden Frau (der Ripley-Figur der früheren Teile) als Zentrum menschlichen und also emotionalen Widerstands hin zum kalkulierenden Androiden, der ausgerechnet seine humanistische (Selbst-)Bildung als Waffe einsetzt. Doch geht es hier weniger um die Frage nach der Vorherrschaft von Gefühl und Verstand, sondern darum, wo die Saat des Bösen besser gedeiht. Das Alien jedenfalls, es wächst sich währenddessen zum wahren Ungetüm heraus. (Michael Pekler, 13.5.2017)