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Unsere Nase ist jener von Hunden vielleicht nicht ebenbürtig, sie leistet aber bedeutend mehr, als man gemeinhin annehmen würde, wie ein US-Forscher meint.

Foto: AP/ Larry Steagall

New Brunswick / Wien – Der Mensch mag im Tierreich zwar der größte Denker sein, was sein Sensorium anbelangt, muss er sich dagegen im Vergleich zu den meisten anderen Säugetieren mit wesentlich weniger zufriedengeben. Als geradezu bescheiden gilt dabei landläufig sein Geruchssinn, insbesondere wenn man diesen etwa den Supernasen der Hunde gegenüberstellt.

Doch der Vergleich führt in die Irre: Tatsache ist, dass unser Riecher den schlechten Ruf, den er besitzt, keinesfalls verdient hat – im Gegenteil: Unsere Nase ist zu bedeutend mehr in der Lage, als ihr gemeinhin zugestanden wird.

150 Jahre alter Mythos

Grundlage der Annahme, der Mensch wäre ein schlechter Riecher, ist ein 150 Jahre alter Mythos, der von Wissenschaftern im 19. Jahrhundert aufgebracht wurde, wie nun John McGann im Fachjournal "Science" berichtet. Der Neurologe an der Rutgers University in New Brunswick im US-Bundesstaat New Jersey ist Experte für das olfaktorische System des Menschen und hat historische und aktuelle Forschungsergebnisse gesammelt und unter neuen Gesichtspunkten analysiert.

Der Mythos vom schlechten menschlichen Geruchssinn geht demnach ursprünglich auf den französischen Arzt Paul Broca zurück. Der berühmte Entdecker des Sprachzentrums, des sogenannten Broca-Areals, hat 1879 festgestellt, dass die Riechregion im Gehirn im Verhältnis kleiner ist als jenes von Mäusen, und daher auch nicht allzu leistungsfähig sein kann.

Es geht um die Neuronen

Doch die Größe unseres Riechkolbens, des Bulbus olfactorius, lässt nach Ansicht von McGann in Wahrheit keine berechtigten Schlüsse auf unsere olfaktorischen Fähigkeiten zu. Wesentlich bedeutsamer ist dagegen die Anzahl der Neuronen in diesem Riechzentrum, und die ist durchaus vergleichbar mit jener vieler anderer Säugetiere.

Auch die Zahl der Duftrezeptoren sei nach Meinung des Forschers kein Kriterium zur Beurteilung der menschlichen Riechfähigkeit: Zwar sei diese bei uns mit knapp 400 geringer als etwa bei Hunden, die rund 800 besitzen, oder bei Ratten, die sogar über etwa 1000 Rezeptoren verfügen. Auf die Unterscheidungsfähigkeit verschiedener Substanzen hätten diese Zahlen dennoch keinen bedeutenden Einfluss, so McGann.

Trainierbare Nase

Und diese sei beim Menschen durchaus gut entwickelt: Während frühere Annahmen von höchstens 10.000 Substanzen ausgegangen waren, die wir mit unserer Nase unterscheiden könnten, betont McGann, dass es in Wahrheit mehrere Milliarden Duftstoffe sind – und diese Fähigkeit lässt sich auch trainieren, wie Matthias Laska von der Universität Linköping in Schweden ergänzt.

Der Geruchsforscher hat einige der von McGann untersuchten Studien durchgeführt, und weiß um die Leistungsfähigkeit der menschlichen Nase: "Ein Parfümeur übt viele Jahre, bis er 600 Düfte unterscheiden und exakt benennen kann. Aber das heißt nicht, dass er auch als Weintester arbeiten kann." (Thomas Bergmayr, 12.5.2017)