Graz – Zur Verbesserung organischer Halbleiter spielt das Wissen über die Wechselwirkungen an der Grenzfläche zwischen anorganischen und organischen Molekülen eine wichtige Rolle: Diese können die Transporteigenschaften von molekularen Schichten massiv verändern oder stören. Grazer Forscher haben nun einen Ansatz entwickelt, zunächst störenden Einflüsse zur gezielten Manipulation der Materialeigenschaften zu nutzen.

Organische Halbleiter bieten ein enormes Potenzial für die günstige Herstellung von elektronischen Bauteilen, zum Beispiel Leuchtdioden oder Solarzellen. Die Arbeitsgruppe von Egbert Zojer an der Technischen Universität Graz beschäftigt sich mit der Computersimulation von organischen Halbleitern ab der atomaren Ebene. Die Anwendungen der computerunterstützten Modellierung erstrecken sich von der Aufklärung und Interpretation experimenteller Ergebnissen bis zum Design neuartiger Materialien. Darüber hinaus werden durch Simulation theoretische Vorhersagen von Materialeigenschaften noch vor der Materialsynthese möglich.

Das Unvermeidbare nutzen

Dabei ist die Gruppe nun einen wesentlichen Schritt weitergekommen und schlägt im Fachblatt "Advanced Materials" mit Doktorandin Veronika Obersteiner als Erstautorin ein neues Konzept zur Kontrolle der elektronischen Materialeigenschaften vor. Es stützt sich auf sogenannte kollektive elektrostatische Effekte. Diese entstehen in Materialien mit periodisch angeordneten Dipolen als Folge der Überlagerung der Felder der polaren Molekülbausteine.

"In solchen Konstellationen wird ein Sprung in der elektrostatischen Energie induziert, der die elektronischen Zustände verschiebt", sagte Zojer. Dadurch ließen sich theoretisch Materialien entwickeln, in denen diese natürlich entstehenden Effekte gezielt eingebaut und genützt werden. "Wir versuchen also nicht, Wege zu finden, diese unvermeidlichen Effekte zu umgehen, sondern nutzen sie für unsere Zwecke aus", so der Grazer Physiker.

Anwendung in Solarzellen denkbar

Zojer und Kollegen beschäftigen sich schon seit Jahren mit dem Thema. Erster Schritt war das elektrostatische Design von molekularen Monolagen, die auf Goldelektroden aufgebracht wurden. Die vorhergesagten Energieverschiebungen wurden in der Monoschicht auf der Goldoberfläche als auch in zweidimensionalen Materialien wie Graphen bereits experimentell nachgewiesen. Auch konnte gezeigt werden, dass sich der erwünschte Ladungstransport gezielt manipulieren lasse, so Zojer.

In ihrer aktuellen Studie konnten die Forscher zeigen, dass das Potenzial des Konzepts auch in dreidimensionalen Netzwerken mit starken kovalenten Bindungen (Covalent Organic Networks) aufgeht. Zojer: "Hier zeigen wir, wie man mittels kollektiver elektrostatischer Effekte die energetische Landschaft innerhalb eines ausgedehnten Materials so manipuliert, dass räumlich begrenzte Pfade für Elektronen und Löcher entstehen. So kann man beispielsweise gezielt Ladungsträger trennen und die elektronischen Materialeigenschaften je nach Bedarf gestalten." Dies sei insbesondere für Solarzellen interessant. (APA, 14.5.2017)