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Bis zu 175.000 Touristen – dreimal so viele wie Einwohner – stauen sich täglich über Venedigs Brücken.

Foto: REUTERS/Mazzega Giorgio

Venedig – Zwanzig bis dreißig Millionen Menschen fallen übers Jahr in Venedig ein, täglich schleppen Hundertschaften von Touristen ihre Koffer über eine von Venedigs 444 Brücken. Im vergangenen November waren es die Venezianer selbst, die in Scharen von der Rialtobrücke Richtung Rathaus zogen, ihre Koffer hielten sie hoch über ihren Köpfen. "Vexodus" nannten sie ihren Protestmarsch gegen den Massentourismus.

"Es ist paradox", sagt Matteo Secchi, Aktivist der Bürgerinitiative Venessia, die sich gegen den Ausverkauf Venedigs wehrt: "Die Touristen halten uns einerseits am Leben – und bringen uns gleichzeitig um. Denn die touristische Infrastruktur nimmt überhand, für Einheimische wird das Leben zum täglichen Überlebenskampf, für den täglichen Einkauf müssen viele mit dem Vaporetto fahren – und sich mit Tagesgästen um den Platz raufen. Wo es früher Lebensmittelgeschäfte gab, sind heute Souvenirläden eingezogen. Die Mieten steigen dramatisch, die Bevölkerungszahlen sinken ebenso dramatisch." Seit Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute ist die Einwohnerzahl der Serenissima von 175.000 auf ein Rekordtief von 55.000 gefallen. "Wenn es so weitergeht, werden wir zur Geisterstadt wie Pompeji", prophezeit Secchi. Schon jetzt liegt der Altersdurchschnitt bei 47 Jahren, nur etwa neuntausend Venezianer sind unter zwanzig. Wer kann, zieht weg. Selbst Bürgermeister Luigi Brugnaro wohnt nicht in der Lagunenstadt, sondern auf dem Festland. Und denkt vage über Zugangsbeschränkungen für den Markusplatz nach.

Das Fahrverbot für Kreuzfahrtriesen wurde nach zwei Jahren wieder aufgehoben. Ihr Durchzug schwemmt zwar viel Geld in die Stadtkassen, verpestet allerdings die Luft, die laut Umweltexperten schlechter sei als in Peking. Mittlerweile wollen Organisationen wie Venessia und Italia Nostra Venedig auf die Liste der bedrohten Städte setzen lassen. (asch, 10.5.2017)