"Man hätte alle Schulkompetenzen beim Bund ansiedeln sollen, denn Österreich ist zu klein, um so viele Modelle zu fahren", sagt der Didaktikprofessor Krainer.

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Wien – Manch politische Reformblockaden sind vielleicht mehr eine Frage der Psychologie, denn der Inhalte, vermutet Bildungsexperte Konrad Krainer von der Uni Klagenfurt. So erklärt er sich zum Beispiel, warum im vorliegenden Schulautonomiepaket ein großes Problemfeld nicht konsequent angegangen wird: "Man hätte alle Schulkompetenzen beim Bund ansiedeln sollen, denn Österreich ist zu klein, um so viele Modelle zu fahren", sagt der Didaktikprofessor mit Schwerpunkt Schulentwicklung zum STANDARD.

Hat man aber nicht, weil das in der Bund-Länder-Gemengelage nicht realisierbar scheint, oder, wie Krainer vermutet: "Österreich hat eine Art Amputationsschmerz, dass es kein großer Staat mehr ist." Darum soll statt einer einheitlichen Bundeskompetenz mit den Bildungsdirektionen ein Bund-Länder-Hybrid entstehen.

"Beachtliche Reform" mit Lücken

Das ist nur ein Beispiel, an dem Krainer ausführt, dass er sich "zwar mehr und größere Reformschritte gewünscht hätte, aber das Autonomiepaket beinhaltet doch in einigen Zügen eine beachtliche Reform, der man eine Chance geben soll, um Innovationen einzuführen. Eine Blockade würde Stillstand bedeuten, und der wäre für das Schulsystem verhängnisvoll."

Angesichts der Widerstände der Lehrergewerkschaft rät Krainer, der Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Bildungsforschungsinstituts Bifie ist, unbedingt zu einer Evaluation nach ein paar Jahren: "Denn jetzt wird viel mit Ängsten gearbeitet. Ängste, die sich in der Praxis oft als unbegründet erweisen könnten."

Etwa die Kritik an der Unterrichts-"Stunde", die nicht mehr 50 Minuten dauern muss, sondern autonom an Schulerfordernisse angepasst werden kann. "Unsere Lehrerinnen und Lehrer sind Profis, wenn Unterricht nur noch geblockt abgehalten wird, dann werden sich die Eltern ohnehin zu Wort melden."

Mehr Grundvertrauen in die Schule

Oder die Abschaffung der Klassenschülerhöchstzahl 25, gegen die die Lehrergewerkschaft massiv mobilmacht: "Es wird doch niemand ständig 30, 40 oder mehr Schülerinnen und Schüler in der Klasse haben, aber es kann sinnvoll sein, für einen Einführungsvortrag drei Klassen zusammenzuziehen. Das muss doch möglich sein. Haben wir mehr Grundvertrauen in die Schule", rät Krainer.

Die Cluster, in denen künftig ein Direktor bis zu acht Schulen leiten soll, verteidigt Krainer mit Blick auf demografische Entwicklungen, unter deren Druck immer mehr Infrastruktur aus dem ländlichen Raum abgezogen wird. Angesichts der Größenverhältnisse im Pflichtschulbereich (betroffen wären vor allem Standorte mit weniger als 100 Schülern) plädiert er für das Motto: "Die Schule im Dorf lassen, wo immer es gut möglich und vertretbar ist." Im Schnitt hat eine Volksschule 108 Kinder, eine Haupt- oder Neue Mittelschule 119: "Warum soll man Kleinschulen zusperren, wenn das Land schon so ausgedünnt ist? Die Cluster sind auch eine Chance für wohnortnahe Kleinschulen."

Bleibt die Geldfrage: "Auf das muss man schauen", sagt Krainer, würde aber fürs Erste die Zusicherung nehmen, "dass die Schulen nicht weniger Budget erhalten, obwohl natürlich mehr besser wäre; aber wenn sich durch Umschichtungen erstmals Sekretariate ergeben könnten- das wäre gut." (Lisa Nimmervoll, 10.5.2017)