Die Krone zitiert Innenminister Wolfgang Sobotka in einer Überschrift mit "Die Sicherheit steht über der Politik".

Nein, steht sie nicht, Herr Innenminister. Die Politik entscheidet in einem demokratischen Rechtsstaat, wieweit die persönliche Freiheit und Privatsphäre vom Staat eingeschränkt und überwacht werden können. Wenn die Sicherheitsorgane – und ihr oberster Dienstherr – sich in eine überschießende Auslegung des Begriffs "Sicherheit" verrennen, dann hat die Politik sie zu bremsen. "Politik" heißt in dem Fall Koalitionspartner, Parlament, Institutionen des Rechtsstaates, Zivilgesellschaft.

Wolfgang Sobotka gibt sich schon seit Monaten einem wahren Sicherheitsrausch hin. Schon zu Jahresbeginn fantasierte er davon, den Aufenthalt von bloß Verdächtigen – vor allem islamistischen "Gefährdern" – mit Fußfesseln zu verfolgen, auch wenn diese "noch nicht in irgendeiner Form mit dem österreichischen Strafgesetz in Konflikt gekommen sind". Das riecht stark nach Verfassungswidrigkeit. Der "kleine Lauschangriff", also die akustische Überwachung im öffentlichen Raum, soll auf Mobiltelefone in Fahrzeugen ausgeweitet werden: "Wir können derzeit nur eine Peilung setzen, aber nicht die Gespräche überwachen, die im Auto stattfinden."

Die etwa eine Million privater Überwachungskameras sollen vernetzt und jederzeit dem automatischen Zugriff der Behörden überlassen werden, um Fluchtwege von Verbrechern lückenlos dokumentieren zu können. Die Kameras der Asfinag auf den Autobahnen sollen eine automatisierte Kennzeichenerfassung liefern. Und: anonyme Handywertkarten völlig abgeschafft, "Bundestrojaner" als Spähsoftware, alle einreisenden EU- und Drittstaatsangehörigen biometrisch erfasst ...

Sobotka lässt nicht locker. Ein Teil der Maßnahmen wurde sogar innerhalb der Regierung ausverhandelt: An Grenzübergängen, an denen Grenzkontrollen durchgeführt werden, sollen die Kennzeichen automatisch erfasst werden. Die Überwachung im Auto soll kommen, Wertkarten zwar nicht verboten, aber registriert werden.

Aber damit nicht genug: Sobotka schickt jetzt seinen eigenen Entwurf einer Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz in die Begutachtung – ohne Absprache mit dem Koalitionspartner, aber mit noch schärferen Maßnahmen bei Videoüberwachung (verpflichtende Herausgabe von Daten für ÖBB, Asfinag, Flughäfen usw.) und Autotypen- und Kennzeichenerfassung.

Das erinnert stark an die US-Science-Fiction-Serie Person of Interest. Und es ist keineswegs gesichert, dass damit Terrorismus und organisierte Kriminalität wirksamer als bisher bekämpft werden können. Sobotka will einfach durchdrücken, was ihm der eigene Perfektionswahn (und der seiner Fachleute) diktiert.

Die SPÖ will da nicht mitmachen und hat recht damit. Gemeinsam mit seinen (verwässerten) Einschränkungen des Versammlungsrechts driftet Sobotka in Richtung autoritäres System ab. Sobotka will einen Primat der Überwachung vor den Bürgerrechten. Das darf man ihm nicht durchgehen lassen. (Hans Rauscher, 9.5.2017)