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Die Novelle soll Menschen, die wirtschaftlich Beinbruch erlitten, eine schnellere Chance auf einen Neustart geben.

Foto: Getty/PaoloCipriani

Wien – Die Begutachtungsfrist lief dieser Tage aus, ab Juli soll die Reform in Kraft treten. Für ihre Gegner und Befürworter bleibt sie jedoch ein Reizthema. Es geht ums Geld. Konkret um jenes, das Private den Unternehmen in Österreich schulden. Bisher war den Gläubigern eine Mindestquote von zehn Prozent gewiss. Die Dauer der Entschuldung in den Abschöpfungsverfahren währte sieben Jahre. Ab Sommer werden redliche private Pleitiers bereits nach drei Jahren ihrer Schulden entledigt sein. Die Mindestquote entfällt gänzlich.

Die Novelle soll Menschen, die wirtschaftlich Beinbruch erlitten, eine schnellere Chance auf einen Neustart geben. Vor allem in die finanzielle Krise geratenen Selbstständigen soll der Weg zurück ins produktive Erwerbsleben erleichtert werden. Die neue Kultur des Scheiterns bemüht sich zu verhindern, dass zahlungsunfähige Menschen in der Armutsfalle gefangen bleiben.

Freibrief für miese Zahler

Für Gläubigerschützer aber ist das neue Privatinsolvenzrecht ein rotes Tuch, hinter dem sich nichts anderes als ein Freibrief für miese Zahler verberge. Von einer gesellschaftlichen Bombe spricht etwa Gerhard Weinhofer, Chef der Creditreform. 200 Millionen Euro seien den Gläubigern bisher jährlich von privaten Schuldnern rückgeführt worden, rechnet er vor. Davon werde künftig nicht mehr viel übrig bleiben. "Es gibt keine Chancengleichheit mehr zwischen den Gläubigern und den Schuldnern."

Weinhofer sieht primär Internethändler, Handwerker, Banken, Versicherungen und Leasingsfirmen auf offenen Forderungen sitzen bleiben. Vor allem kleine Betriebe könnten sich ihre Kunden nicht aussuchen, die Reform gehe zu 100 Prozent zu ihren Lasten.

Im Dienste einer Waffengleichheit im Geschäftsverkehr pocht er darauf, dass Gläubigerschutzverbände auf Daten des Exekutionsregisters zugreifen dürfen: Sie benötigten als Ausgleich mehr bonitätsrelevante Informationen.

Rund 110.000 Österreicher können ihre Schulden nicht mehr bedienen. Wie tiefgehend ihre Redlichkeit nun geprüft werde, werde die Praxis zeigen, sagt Weinhofer. Heuer im ersten Quartal sei die Zahl an eröffneten Privatinsolvenzen jedenfalls um 14 Prozent gesunken. "Viele warten ab."

Abseits aller Scharmützel rund um private Pleitiers zeichnet sich in Westeuropa an der gesamten Insolvenzfront allerdings Entspannung ab. Die Zahl der Unternehmenskonkurse war 2016 zum dritten Mal in Folge rückläufig.

Robustere Unternehmen

Mit 170.000 Pleiten war es der niedrigste Stand seit der Finanzkrise 2008/2009, erhob die Creditreform in ihrer jährlichen internationalen Analyse. "Die konjunkturelle Erholung kommt in Europa in Schwung", zieht Helmut Rödl, Innsbrucker Wirtschaftsprofessor und Aufsichtsratschef des Kreditschützers, Bilanz. Die Stimmung unter den Unternehmen habe sich deutlich verbessert, ihre Finanzsituation sei gefestigter.

Der Aufschwung zeige sich in allen Branchen, vom Handel und Bau übers verarbeitende Gewerbe bis zum Dienstleistungssektor. Offen sei dabei jedoch, wie sich der Brexit oder der neue Kurs der US-Administration auf die europäische Wirtschaft auswirke.

Den stärksten Rückgang an Firmenpleiten erlebte Frankreich. In Deutschland erreichte die Zahl an Insolvenzen das niedrigste Niveau seit 1999. Auffallend stark waren die Rückgänge auch in Spanien und Griechenland. Wobei die Statistiken mit Vorsicht zu genießen sind: Die Zugänge zu und Voraussetzungen für Sanierungsverfahren variieren von Land zu Land. In Spanien etwa kommen Gläubiger für die Verfahrenskosten auf. In Griechenland wiederum werden unzählige Betriebe still liquidiert.

Immer wieder machen gesetzliche Änderungen den Vergleich schwierig; ein europäisch einheitliches Insolvenzrecht ist in weiter Ferne. Verzerrend wirkt überdies die enorme Zahl an Kleinstbetrieben in Südeuropa, die Eurostat in ihre Statistik einbezieht. Unterm Strich schätzt die Creditreform die Zahl an Unternehmensschließungen außerhalb der dokumentierten Pleiten auf 2,2 Millionen.

Ein Plus von sechs Prozent gab es bei den Insolvenzen in Mittel- und Osteuropa. Wobei dieser Zuwachs in erster Linie Kroatien zuzuschreiben ist. Dort strengt seit kurzem der Staat Insolvenzverfahren für notleidende Firmen an. In Russland und der Türkei ging die Zahl der Konkurse trotz unsicherer Rahmenbedingungen zurück. Die USA erlebten hingegen einen Anstieg der Pleiten. (vk, 9.5.2017)