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In der EU regelt die Entsenderichtlinie, unter welchen Voraussetzungen Unternehmen ihre Mitarbeiter ins Ausland entsenden können. Die meisten Entsendungen gibt es in Europa im Bausektor.

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Wien – Sie kommen aus Slowenien, Ungarn, der Slowakei, aus Polen und Tschechien nach Österreich, um Gruben auszuheben, Betonwände hochzuziehen und Fassaden zu verputzen. Zehntausende Menschen aus Osteuropa arbeiten als entsandte Arbeitnehmer auf Österreichs Baustellen.

Am Bau kursieren unzählige Geschichten darüber, wie Entsendeunternehmen aus dem Osten mit Lohndumping und Sozialbetrug Kosten sparen. Politisch wird das Thema gerade um eine Facette reicher. Bauunternehmen aus den neuen EU-Mitgliedsländern, insbesondere aus Ungarn, profitieren nämlich von Sonderregelungen in bilateralen Steuerabkommen. Jene erlauben es den Firmen, auf ihre in Österreich erwirtschafteten Gewinne bis zu zwei Jahre lang keine Steuern im Inland zu bezahlen.

Entsendeunternehmen sind Betriebe, die ihre Mitarbeiter nach EU-weit vorgegebenen Regeln ins Ausland schicken, um dort zu arbeiten. Das geschieht besonders häufig im Bausektor. Entsandte Arbeitnehmer sind nach den geltenden Kollektivverträgen in Österreich zu bezahlen. Doch ist es schwer bis unmöglich, die korrekte Entlohnung grenzüberschreitend zu kontrollieren.

Trick mit der Sozialversicherung

Hinzu kommt ein weiterer Vorteil für Unternehmen aus Osteuropa: Für die Dauer von zwei Jahren können ihre entsandten Arbeitnehmer in ihrem Heimatland sozialversichert bleiben. Dabei müssten die Arbeiter mit ihrem österreichischen Gehalt versichert werden. Doch in Ungarn, Slowenien und den übrigen Ländern erfolgt die Anmeldung bei der Versicherung im Regelfall nur auf Basis des dortigen, viel niedrigeren Mindestlohns.

Wie die Gewinne der grenzüberschreitend tätigen Firmen zu versteuern sind, regeln Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Dabei gilt, dass die Besteuerung in Österreich erfolgt, wenn das ausländische Unternehmen über eine Betriebsstätte in Österreich verfügt. Das ist meist nicht der Fall.

Doch um überlanges Hereinarbeiten ohne Steuerpflicht zu vermeiden, legen die DBA fest, dass ab einer bestimmten Zeit der Ort der Bauausführung zur Betriebsstätte wird. Diesfalls entsteht eine Steuerpflicht in Österreich.

Doch es gibt große Unterschiede bei den Fristen: In den Abkommen mit Bulgarien ist vorgesehen, dass für Baufirmen nach sechs Monaten die Körperschaftssteuer in Österreich anfällt. Bei Tschechien und Slowenien sind es zwölf Monate. Im Abkommen mit Ungarn wird die Steuerpflicht erst nach 24 Monaten begründet.

SPÖ: Steuerabkommen mit Ungarn kündigen

Der Wirtschaftssprecher der SPÖ, Christoph Matznetter, fordert deshalb das Finanzministerium unter Hans Jörg Schelling (ÖVP) dazu auf, das Abkommen mit Ungarn zu kündigen und neu zu verhandeln. Ziel müsste sein, nach zwölf oder sechs Monaten eine Steuerpflicht in Österreich zu begründen, so Matznetter im Gespräch mit dem STANDARD.

Im Fall von Ungarn ist das Problem laut dem SP-Politiker besonders drängend. In Ungarn ist der Körperschaftssteuersatz Anfang des Jahres auf neun Prozent abgesenkt worden. In Österreich sind es 25 Prozent. Im Kanzleramt kursiert dazu eine Modellrechnung: Verglichen wurden eine österreichische und eine ungarische Baufirma, die den gleichen Lohn auszahlen und den gleichen Nettogewinn anpeilen. Werden die Unterschiede bei der Abgabenlast und der Körperschaftssteuer einbezogen, ergibt sich, dass der ungarische Betrieb seine Leistung um 25 Prozent günstiger anbieten kann. "Das ist unlauterer Wettbewerb", sagt Matznetter. Die Rechnung dürfte sogar konservativ sein, weil erwähnte Tricks bei der Anmeldungen zur Sozialversicherung nicht berücksichtigt wurden.

Im Finanzministerium wird die Problemlage gesehen. Das Steuerabkommen mit Ungarn stammt aus dem Jahr 1975, also aus einer Zeit, als es die Problematik am Bau noch nicht gab, sagt ein Sprecher. Würde man es kündigen? Die Fragen zu klären, bleibe "bilateralen Verhandlungen" vorbehalten. Am grundsätzlichen Problem – den niedrigeren Löhnen und Steuersätzen im Osten – würde aber auch eine kürzere Frist nichts ändern.

Österreich importiert aus den neuen EU-Ländern mehr Bauleistungen, als es exportiert. Zwischen 2010 und 2016 verzeichnete Österreich ein kumuliertes Defizit von 700 Millionen Euro. Im Gegenzug sind große heimische Unternehmen wie Porr und Strabag Big Player in Osteuropa. Da diese Unternehmen über lokale Niederlassungen verfügen, scheinen ihre Geschäfte in den Import- und Exportstatistiken nicht auf. (András Szigetvari, 8.5.2017)