Bei der Arbeitszeitflexibilisierung gibt es laut AK-Präsident Rudolf Kaske "Eckpunkte, die zu berücksichtigen sind".

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Wien – Der Präsident der Arbeiterkammer (AK), Rudolf Kaske, hat am Sonntag seine Zuversicht bekräftigt, dass die Sozialpartner rechtzeitig eine Lösung zum 1.500-Euro-Mindestlohn und der Arbeitszeitflexibilisierung finden. Er äußerte in der ORF-"Pressestunde" die Hoffnung, eine Einigung bis "Mitte Juni" zu erzielen. Die Sozialpartnerspitzen "versuchen in mehreren Runden, zu einem Ergebnis zu kommen".

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Optimistisch zeigte sich Kaske auch, dass die Regierung doch noch eine Einigung beim Dauerstreitthema Kalte Progression schafft. Er habe gehört, dass es kommende Woche zu einer Annäherung oder einer Lösung kommen könnte, ließ der AK-Präsident im Hinblick auf den Ministerrat am Dienstag wissen. In Regierungskreisen gab man sich freilich am Sonntag sowohl auf roter als auch auf schwarzer Seite gegenüber der APA weniger optimistisch – demnach ist man sich im Laufe dieser Woche nicht nähergekommen.

Beim gestrigen Treffen der Sozialpartnerpräsidenten zu Arbeitszeit und Mindestlohn habe es ein "sehr respektvolles Gespräch" gegeben. "Beide Seiten", also Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter "geben das Beste", versicherte Kaske.

Gegen "generellen Zwöflstunden-Tag"

Bei der Arbeitszeitflexibilisierung gebe es aus Arbeitnehmersicht "Eckpunkte, die zu berücksichtigen sind", sagte Kaske. "Es darf zu keinem generellen Zwölfstunden-Tag kommen." Überstundenzuschläge dürften nicht reduziert oder abgeschafft werden. Ein Muss seien auch ausreichende Ruhezeiten, ausreichende Freizeit und dass die Ausübung eines Ehrenamtes möglich ist.

Für die AK gehe es hier auch um die Themen "Verteilung der Arbeit" und ein leichteres Erreichen der "sechsten Urlaubswoche" nach 25 Arbeitsjahren und um Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitnehmer im Lichte der Digitalisierung. Weiters gehe es auch um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. "Es fehlen 21.000 Kinderbetreuungsplätze in Österreich", sagte Kaske.

Es sei aber auch "kein Beinbruch", wenn man zu keiner Lösung komme, sagte der AK-Präsident. Es sei jetzt schon möglich, zwölf Stunden zu arbeiten, erinnerte er mit Verweis auf Betriebsvereinbarungen, KV-Regelungen und das Arbeitszeitgesetz. Kaske sagte, er kenne keine Aufträge an Firmen, die wegen der derzeitigen Regelungen nicht erfüllt werden könnten. Vertreter der Industriellenvereinigung (IV) hatten zuletzt bei einer Pressekonferenz ein gegenteiliges Beispiel genannt.

Scheitert eine Lösung bei den Fragen Mindestlohn und Arbeitszeitflexibilisierung bis Ende Juni, will die Bundesregierung die Themen selbst regeln.

Clinch mit Schelling

Fast zehn Minuten der "Pressestunde" drehten sich auch um ein Unternehmerkritisches AKOÖ-Video, das kürzlich für Aufregung sorgte, das Kaske allerdings nicht weiter bewerten wollte. Dass die Sozialpartnerschaft tot sei, wie dies Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) dieser Tage erklärte, stellte Kaske klar in Abrede. Er verweis auf viele Leistungen der Sozialpartnerschaft. "Die Sozialpartner sind nicht Bremser und Blockierer." Am Samstag sagte er zur APA, dass "das Ende von Spitzenpolitikern absehbarer ist, als ein mögliches Ende der Sozialpartnerschaft, die seit 70 Jahren lebt".

In der Pressestunde wunderte sich Kaske über den Finanzminister, der sich lieber um Themen kümmern solle, die ihn auch betreffen. Schelling habe selbst viele Baustellen – wie einen "Registrierkassenpfusch", sagte Kaske.

Einmal mehr forderte er von Schelling auch die Verstärkung der Finanzpolizei, um gegen Lohn- und Sozialdumping vorzugehen. Auch die "Aktion 20.000", die älteren Langzeitarbeitslosen zugutekommen soll, gehöre umgesetzt. "Schelling soll die Mittel dafür freigeben", sagte Kaske unter Verweis darauf, dass zwischen dem schwarzen Parteichef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) "durchaus Konsens" zur Aktion herrsche.

Marathon gegen unfairen Wettbewerb

Den Beschäftigungsbonus lobte Kaske. Er hinterfragte aber, ob die Förderbank aws die richtige Institution sei, um diesen abzuwickeln. Dass der Beschäftigungsbonus für Firmen, die einheimische Arbeitslose anstellen, nicht EU-rechtswidrig werde, damit befassten sich derzeit Juristen.

Bei der Entsendung von ausländischen Arbeitskräften nach Österreich, die sowohl heimische Betriebe als auch Arbeitnehmer in einen unfairen Wettbewerb bringe, werde man einen Marathon antreten müssen, um europaweit faire Lösungen zu finden, sagte Kaske. "Aber wir müssen diesen Weg gehen." Es gehe darum, gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort auch mit gleichen Sozialversicherungsbedingungen umzusetzen.

Koalition "unter ihrem Wert geschlagen"

Für den Wohnungsmarkt wünschte sich Kaske ein "geordnetes Mietrecht". Es fehle an leistbaren neuen Wohnungen. "Es muss die Neubauleistung erhöht werden." Am Zug seien alle Player – Gemeinden (vor allem in Wien), Genossenschaften und der freie Markt.

Nicht festlegen wollte sich Kaske, ob er bei der AK-Wahl 2019 wieder kandidiert: Er sei "amtsmunter", betonte er. Wie es üblich sei, werde er die Sache intern mit seinen Sozialdemokraten besprechen, und zwar noch im heurigen Jahr. "Alles ist möglich."

Kritik an der Regierung wollte Kaske nicht üben, vielmehr findet er, die Koalition werde "manchmal unter ihrem Wert geschlagen". Durchaus etwas abgewinnen kann Kaske den jüngsten Reform-Vorschlägen des steirischen Landeshauptmann-Vizes Michael Schickhofer (SPÖ), der etwa den Bundesrat durch einen Generallandtag ersetzen will. "Es würde uns gut anstehen, über den Föderalismus nachzudenken", meinte Kaske mit Blick auf die Größe Österreichs.

IV: Arbeitszeit bleibt gleich

Kritik an Kaskes Aussagen kam von FPÖ, Neos, Team Stronach und Industriellenvereinigung (IV). Die IV ließ einmal mehr wissen, dass es firmenseitig im Hinblick auf Arbeitszeitflexibilisierung und Mindestlohn "nichts mehr abzutauschen" gebe, wie etwa eine leichter erreichbare sechste Urlaubswoche.

"Moderne Arbeitszeiten sichern heimische Jobs", so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer in einer Aussendung. "Es geht nicht um generell längere Arbeitszeiten, sondern es soll dann gearbeitet werden können, wenn es sinnvoll ist. Die Arbeitszeit bleibt dabei insgesamt gleich, es geht um den Ausgleich von Spitzen und gibt keinen Überstundenklau." Wenn der AK-Präsident weiterhin meine, das derzeitige Arbeitszeitgesetz sei bereits ausreichend, dann widerspreche das Fakten sowie der Interessenslage vieler Arbeitnehmer, so der Unternehmensvertreter.

Kickl: Kaske versucht sich "durchzuschwindeln"

Aus Sicht der FPÖ machte Kaske klar, dass seine Organisation "kein Herzblut" in die sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen zu Arbeitszeit und Mindestlohn bringe. Denn ein Scheitern sei "kein Beinbruch", hatte Kaske gesagt, obwohl er eine Einigung bis Mitte Juni in Aussicht stellt. "Auch in der Frage der Entsenderichtlinie, wo die Regierung wohl seit Jahren Probleme eingesteht, jedoch bis zum heutigen Tage keine Antworten liefern kann, versuchte sich Kaske 'durchzuschwindeln'", sagt FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Das "Herumgerede" über die "Aktion 20.000", die für ältere Langzeitarbeitslose Jobs bringen soll, bezeichnete Kickl als "Farce".

Bei Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker sorgte Kaskes Auftritt für "Kopfschütteln". "Österreich ist im europäischen Wettbewerb im Nachteil, weil Abgabenlast, Arbeitszeitrestriktionen und Bürokratie überborden", so der liberale Politiker in einer Aussendung. "Kaskes Rezept, die Lohnnebenkosten in anderen europäischen Ländern gleich weit hinauf zu treiben, wird niemand umsetzen. Reformen müssen wir in Österreich schon selbst machen." Der Ruf nach einer leichteren Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche sei "realitätsfremd".

Von Waltraud Dietrich, Sozialsprecherin des Team Stronach, hieß es in einer Aussendung, dass sich die Arbeiterkammer die Sinnfrage stellen lassen müsse. Dies, weil "es weder für den Arbeitsmarkt nachhaltige Lösungsvorschläge für die Generation 50+ gibt, noch ein familienfreundliches Angebot an flexiblen Arbeitszeitmodellen". Es sei höchste Zeit, dass die AK ihr "Unternehmer-Bashing auf Zwangsmitgliedschaftskosten" beende und sich wieder ihrer eigentlichen Aufgabe widme, "diese zu stärken und ihnen den Freiraum zu geben, den es braucht, dass sie es sich auch wieder leisten können, Leute anzustellen". (APA, 7.5.2017)