Auch im Oktober des Vorjahres kamen mehrere der entführten Mädchen frei.

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Abuja/Johannesburg – Nach langen Verhandlungen mit der nigerianischen Regierung hat die Extremistengruppe Boko Haram am Wochenende 82 weitere der über 200 Mädchen freigelassen, die vor mehr als drei Jahren in dem Städtchen Chibok im Nordosten des Landes entführt worden waren. Im Gegenzug ließ die Regierung mehrere Boko-Haram-Kämpfer frei, über deren Zahl und Identität in der Hauptstadt Abuja keine Angaben gemacht wurden.

Nach einem Bericht von Sahara Reporters handelte es sich bei den ausgetauschten Boko-Haram-Mitgliedern um zwei führende Kommandanten der Miliz. Sie seien am Samstag mit einem Helikopter aus Maiduguri, der Hauptstadt der Borno-Provinz, in das an der Grenze zu Kamerun gelegene Städtchen Banki geflogen worden. Dort wurden sie gegen die 82 ehemaligen Schülerinnen ausgetauscht, die das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) zuvor in einem Konvoi nach Banki befördert hatte. Zu dem Deal gehörte angeblich auch die Zahlung einer Geldsumme seitens der Regierung, deren Höhe allerdings nicht bekannt sei.

In einer Pressemitteilung dankte die Regierung in Abuja neben den eigenen Sicherheitsdiensten auch dem IKRK und der Schweizer Regierung für deren Anstrengungen beim Zustandekommen des Deals. Auf STANDARD -Nachfrage bestand ein IKRK-Sprecher allerdings darauf, dass das Komitee lediglich beim Transport der Befreiten behilflich gewesen sei. Die "unpolitische und neutrale Tätigkeit" des humanitären Hilfswerks erlaube die Einmischung in politische Verhandlungen nicht, sagte der Sprecher.

Zuerst an geheimem Ort

Wo die Mädchen genau abgeholt wurden, wollte das IKRK nicht mitteilen. Es soll sich jedoch um einen Ort in der nigerianischen Borno-Provinz und nicht im benachbarten Kamerun gehandelt haben.

Es ist das zweite Mal, dass die Extremisten eine Gruppe der sogenannten Chibok-Mädchen entlässt – bereits im Oktober waren 21 junge Frauen freigelassen worden. Die 82 jetzt Befreiten wurden noch am Sonntag in die Hauptstadt Abuja geflogen: Dort sollen sie alsbald mit Präsident Muhammadu Buhari zusammentreffen, hieß es. Vermutlich werden die jungen Frauen – wie ihre Vorgängerinnen im vergangenen Oktober – danach noch monatelang an einem geheim gehaltenen Ort vom Geheimdienst vernommen: Dabei soll ermittelt werden, ob die zum Übertritt zum Islam gezwungenen Christinnen von der Extremistengruppe indoktriniert oder gar "umgedreht" worden sind.

Unterdessen fehlt von mehr als hundert der Chibok-Mädchen weiter jede Spur. Wie viele von ihnen noch am Leben sind, ist nicht bekannt: Augenzeugenberichten zufolge kamen zumindest einige der Mädchen während ihrer Gefangenschaft ums Leben. Nach Angaben der Regierung in Abuja sollen die Verhandlungen mit Boko Haram über die Freilassung der noch gefangenen Frauen fortgesetzt werden. Außer den in Chibok entführten Mädchen halten die Extremisten noch mehrere tausend andere Kinder und Frauen fest. Die Regierung hatte jüngst bereits mehrfach ihren vermeintlichen Sieg über Boko Haram bekanntgegeben. Tägliche Überfälle und Selbstmordattentate in der Borno-Provinz sprechen allerdings eine andere Sprache. (7.5.2017)