Seit 25 Jahren hätten die Sozialpartner keine Lösungen bei Arbeitszeit und Mindestlohn gefunden, sagt Hans Jörg Schelling.

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Wien – Nach dem Querschuss von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) haben die vier Sozialpartner-Präsidenten am Samstag ihre Zuversicht in Sachen Arbeitsmarktpaket deponiert. Schelling hatte zuvor an einer Einigung bei Arbeitszeit und Mindestlohn gezweifelt und die Sozialpartnerschaft für tot erklärt. ÖGB, AK, Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer glauben dagegen an eine Lösung bis Juni.

ÖGB-Chef Erich Foglar und AK-Präsident Rudolf Kaske (beide SPÖ) sowie Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl und der Präsident der Landwirtschaftskammer Hermann Schultes (beide ÖVP) haben am Samstag die weitere Vorgehensweise bei Mindestlohn und Arbeitszeitflexibilisierung besprochen. In einer gemeinsamen Aussendung hieß es im Anschluss, man sei "trotz der herausfordernden Ausgangslage zuversichtlich, bis Ende Juni ein gemeinsames Ergebnis in beiden Sachfragen vorlegen zu können". Gelingt die Einigung nicht, hat die Regierung eigene Vorschläge angekündigt.

Retourkutsche der Arbeiterkammer

AK-Präsident Rudolf Kaske reagierte zuvor mit einer Retourkutsche auf die Kritik von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP). "Das Ende von Spitzenpolitikern ist absehbarer, als ein mögliches Ende der Sozialpartnerschaft, die seit 70 Jahren lebt", ságte Kaske ohne Schelling namentlich zu nennen. Der Finanzminister hatte zuvor in den "Oberösterreichischen Nachrichten" gesagt: "Die Sozialpartnerschaft ist tot. Sie weiß es nur noch nicht." Auch kritisierte er, dass die Sozialpartner in den vergangenen 25 Jahren keine Lösungen bei Arbeitszeit und Mindestlohn gefunden hätten.

Achitz kündigt Leistungsliste an

Auch der leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz ließ die Kritik des Ministers nicht gelten: "Wir werden Schelling eine Liste mit den Leistungen der Sozialpartnerschaft der vergangenen 25 Jahre schicken." Der Gewerkschafter zählte eine Reihe von sozialpartnerschaftlichen Einigungen auf, wie die Abfertigung neu oder die Reha vor der Pension und erinnerte daran, dass Schelling in seiner Zeit bei der Sozialversicherung selbst Teil der Sozialpartner gewesen sei.

Bei den vertraulichen Gesprächen am Samstagabend zu den aktuellen Themen Arbeitszeitflexibilisierung und 1.500-Euro-Mindestlohn geht es dem Vernehmen nach indes vor allem um die Vorgangsweise auf Spitzenebene bis Juni. Bis Ende kommenden Monats sollen die Sozialpartner ja Lösungen für die strittigen Fragen präsentieren. Sonst will die Regierung selbst handeln.

Verhandlungen seit Februar

WKÖ-Präsident Leitl, AK-Präsident Kaske und ÖGB-Präsident Foglar haben am Samstag auch besprochen, was Experten beider Seiten bisher an potenziell praktikablen internationalen Beispielen rund um Arbeitszeitregelungen und Mindestlohnmodelle in Erfahrung gebracht haben. Dass die Gespräche im Mai auf Spitzenebene gehen, hatte Leitl bereits angekündigt.

Seit Februar wird verhandelt. Die Positionen dürften noch auseinanderliegen. Arbeitnehmervertreter fürchten finanzielle Nachteile durch eine Erhöhung der Tageshöchstarbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden, sie sorgen sich um lukrative Überstunden.

Arbeitgebervertreter wiederum sorgen sich vor zu hohen Kosten durch den generellen Mindestlohn von 1.500 Euro, der für rund 350.000 Menschen kommen würde, die derzeit als Vollzeitbedienstete weniger verdienen. (APA, 6.5.2017)