Die "Krone": Unbestechlich und Hüterin des strengen Maßstabs der Ästhetik.

Foto: standard / matthias cremer

Ästhetisch gesegnet kann sich ein Land nennen, das über einen strengen Maßstab für das Schöne verfügt. Dies absolut und unbestechlich zu sein, lässt sich in Österreich die "Kronen Zeitung" von niemandem streitig machen. Es ist seit Jahrzehnten bekannt, und erst Sonntag hat das Blatt seinen Rang auf diesem Sektor bekräftigt. Zum Anlass nahm sie in der "Krone bunt" die Neuauflage eines Gruppenbildes des Textilhauses Palmers, auf dem sechs knapp bekleidete Frauen in Rückenansicht aufgefächert den Blicken von Kunden ausgesetzt waren, die in der Auswahl erstrebenswerter Unterwäsche Rat suchen, durchaus auch weiblichen.

Hatte schon die Erstauflage des Sujets für einige Aufregung gesorgt, fand die Wiederholung mit verändertem Personal vor dem strengen Auge einer redaktionellen Schönheitsexpertin erst recht keine Gnade. Manche Plakate und Werbespots sind weder kreativ noch originell, beklagte sie. Für Aufmerksamkeit sorgen sie allemal. Aber zu welchem Preis?

Diese Frage verbietet sich die Redaktion prinzipiell bei dem Werbespot, mit dem sie seit Jahrzehnten – zu welchem Preis? - schaulustige Leser an sich bindet: zu ihrem täglichen Busenanbot. So auch am selben Tag, an dem sie zur Palmers-Werbung feststellte: Fern von jeder erotischen Ästhetik, die einst das Kult-Plakat von Fotograf Mark Glassner hatte, zeigt sich die neue Kampagne und sorgte zu Ostern für stratosphärische Aufregung. Völlig unaufgeregt, wenn auch von etwas anderer erotischer Ästhetik hingegen die Kommentierung der unterwäschemäßig gleich entkleideten, nur in Vorderansicht gebotenen Schönheit auf Seite 13 im Hauptblatt: Genüsslich räkelt sich Model Emily vor dem Pool. Bei einem Fotoshooting in einem privaten Penthaus auf den Kanarischen Inseln kommt die 22-Jährige voll auf ihre Rechnung beim Räkeln.

Luxusanwesen vs. schmuddeliges Ambiente

Die unterschiedliche ästhetische Einschätzung erklärte sich aber nicht aus der Unterschiedlichkeit von Damen und Wäsche, die war wurscht, sondern aus der des Ambientes. Ob man in tollen Luxusanwesen posiert, wie das Model Emily, oder so wie die Palmers-Models, ist eben nicht ganz dasselbe: Warum liegen diese Models im Dreck und mit Erde auf einem alten Teppich im schmuddeligen Ambiente, und was sollen die dreckigen Fußsohlen an den mit Photoshop verlängerten Beinen aussagen?

Auf diese bohrenden Fragen blieb Palmers die Antwort schuldig. Die lieferte die "Krone"-Autorin aus Blattkenntnis. Ethisch-moralische Grundsätze werden zweitrangig, wenn es gilt, im Werbedschungel nicht unterzugehen. Da greifen die sogenannten Kreativlinge der Branche - und wo sind mehr davon zu Hause als in der "Krone" - gerne zu allerlei Klischees, und ästhetisch eingesetzter Sex-Appeal wird mit sexistischer Darstellung verwechselt.

Da heißt es schon verflucht genau Obacht geben, damit einem bei der sexistischen Darstellung der ästhetisch eingesetzte Sex-Appeal nicht dazwischenfunkt. Das wäre der Redaktion am selben Tag beinahe unterlaufen, wo in der Rubrik Adabei international ein erschütterndes Frauenschicksal mit anhaftender Kehrseite abgehandelt wurde. Diese gleich dreimal dargebotene Kehrseite erregt die Gemüter, und dabei war die Unterwäsche nicht von Palmers: Nach Popo-Dellen-Fotos verliert Kim Kardashian 100.000 Instagram-Fans.

... und Michael Jeannée

Der Grund? Was einst so "perfekt" schien, ist es – welch Wunder – eigentlich in Wirklichkeit gar nicht. Da kennen die Ästheten unter den Instagram-Fans ebenso wenig Gnade wie die der "Krone", die sich immer aufseiten der Wahrheit hält, mag sie auch fern von jeder erotischen Ästhetik sein. Da werden ethisch-moralische Grundsätze zweitrangig, wenn es gilt, im Werbedschungel nicht unterzugehen.

Klar muss sein: Was der "Krone" erlaubt ist, darf Nordsee mit der von einem Frauenakt untermauerten Behauptung Fisch macht sexy noch lange nicht. Was hat Fisch mit Nacktheit zu tun? Wir wissen es nicht. Die Devise "Sex sells" ist hier mehr als unangebracht. Da vergeht einem eher der Appetit. Nur wenn die "Krone" mit der Devise "Sex sells" ihren Fisch verkauft, soll es sich um ehtisch-ästhetisch-moralischen Journalismus handeln.

Apropos Fisch: Ein Urteil, wie es vernichtender nicht möglich ist, fällte Michael Jeannée über die ÖVP-Broschüre, den Marxisten Christoph Kern betreffend. Den Mann jetzt einen Sowjet-Kommunisten zu nennen – das fiele selbst mir nicht ein! Und dem ist zu Kommunismus schon viel mehr eingefallen als der "Krone" zur Ästhetik. (Günter Traxler, 6.5.2017)