Nationalratspräsidentin Doris Bures anlässlich der Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus im Historischen Sitzungssaal des Parlaments.

Foto: apa

Wien – Die Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus war heuer einerseits von einer berührenden Rede der Holocaust-Überlebenden Gertrude Schneider, andererseits von einem besorgten Blick in die Gegenwart geprägt. Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) und Bundesratsvorsitzende Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP) verwiesen auf autoritäre, rassistische und die Untaten des NS-Regimes verharmlosende Tendenzen.

Bures erinnerte, dass man seit beinahe zwei Jahrzehnten am 5. Mai im Parlament der Opfer des Nationalsozialismus gedenke. In dieser Zeit habe sich vieles zum Guten geändert, aber nicht alles. Die Zahl antisemitischer Vorfälle in Österreich steige ebenso wie die Zahl der Anklagen nach dem Verbotsgesetz und wegen Verhetzung. Antisemitismus, Rechtsextremismus und Rassismus zeigten sich mit altbekannten und neuen Gesichtern.

Brisante Entwicklung

Wenn 55 Prozent der Unter-35-Jährigen in einer aktuellen Umfrage der Meinung seien, der Nationalsozialismus habe in Österreich nicht nur Schlechtes gebracht, werde die Brisanz mehr als deutlich, meinte Ledl-Rossmann. Gewalt und Rassismus begegneten uns gerade aktuell wieder in all ihrer schockierenden Brutalität: "Und auch wenn sich die Gesichter und die Orte verändert haben, das Wesen dahinter bleibt das gleiche: Intoleranz aus Unwissenheit, Feindseligkeit aus Ungewissheit, Aggression aus Unsicherheit."

Als Aufgabe der Politik sieht es die Bundesratspräsidentin, zwischenmenschliche Werte zu stärken, drängende Fragen zu beantworten und die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen, um Fehlentwicklungen zu verhindern, "damit jene nicht gestärkt werden, die aus Angst und Pessimismus Kapital schlagen wollen".

"Zeit der Ängste"

Was es in dieser "Zeit der Ängste" brauche, sei Sicherheit, auch soziale Sicherheit, betonte Bures: "Wir müssen für soziale Sicherheit, Chancengerechtigkeit und Stabilität sorgen und damit das Fundament für Optimismus und Zuversicht schaffen." Denn wer Angst habe, rufe nach dem starken Mann: "Wer hingegen Freude hat, Mut und Hoffnung, ist selbst stark."

Ehrengäste der Veranstaltung im historischen Sitzungssaal, die von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, den Spitzenvertretern aller Parlamentsparteien, ehemaligen Spitzenpolitikern wie Altkanzler Werner Faymann (SPÖ) und religiösen Würdenträgern besucht wurde, waren heuer die Historikerin Gertrude Schneider sowie der Komponist Walter Arlen. Letzterer konnte im letzten Moment dem NS-Regime entfliehen und in den USA eine Karriere als Komponist und Musikkritiker starten. Drei seiner Werke für das Klavier bildeten den musikalischen Rahmen der Veranstaltung.

Schneider überlebte mit ihrer Mutter und ihrer Schwester mehrere NS-Lager, ihr Vater starb im Konzentrationslager Buchenwald. Nach dem Krieg wanderte der überlebende Teil der Familie in die Vereinigten Staaten aus, wo Schneider Studien der Mathematik und Neueren Geschichte abschloss. In ihrer heutigen Rede schilderte die 1928 in Wien Geborene sehr berührend ihr eigenes Schicksal zur Zeit des NS-Regimes und jenes ihres späteren Ehemanns. Ihre Rede schloss sie mit den letzten Worten ihres Großvaters, der zeitgleich mit dem "Anschluss" Österreichs an Deutschland starb: "Gott schütze Österreich."

Sowohl Schneider als auch Arlen haben ihre Bücher und ihr Lebenswerk schon vorab der Stadt Wien und einer Stiftung vererbt. (APA, 5.5.2017)