Lebenswelt Heim

Der Bericht der Volksanwaltschaft 2016 spricht von 479 kontrollierten Einrichtungen, darunter 125 Alten- und Pflegeheimen. In einzelnen Heimen traten Defizite auf, die zu bereinigen sind. Keinesfalls waren ausschließlich in Alten- und Pflegeheimen Mängel zu beobachten, wie die mediale Berichterstattung des ORF vermuten ließ. Vielmehr zeigt der Bericht der Volksanwaltschaft in seiner Kernaussage eine Systemkritik auf, ein Missverhältnis zwischen steigenden Herausforderungen in der Altenpflege wie z. B. die steigende Zahl von an Demenz Erkrankten und den tatsächlichen personellen Ressourcen in den Heimen. Die von der Politik gestalteten Rahmenbedingungen tragen dem nicht Rechnung, so die Kernaussage des Berichtes der Volksanwaltschaft. Aus Sicht des Bundesverbandes der Alten- und Pflegeheime Österreichs, Lebenswelt Heim, lautet die entscheidende Frage: Welche Leistungen wollen wir in der Altenpflege haben und welche Ressourcen sind wir als Gesellschaft bereit, dafür zur Verfügung zu stellen? Der Bundesverband steht für einen breiten Diskurs zur Verfügung und fordert ihn seit Jahren.

Mit 125 Kontrollen wurden Alten- und Pflegeheime von der Volksanwaltschaft 2016 am häufigsten besucht und kontrolliert, davon 122 unangekündigt. Diese hohe Zahl ist darauf zurückzuführen, dass dieser Einrichtungstyp den Großteil aller von der Volksanwaltschaft zu prüfenden Institutionen ausmacht. „Österreichs Alten- und Pflegeheime gehören wahrscheinlich zu den meistkontrollierten Einrichtungen des Landes. Wir werden nicht nur von der Volksanwaltschaft, sondern auch von der Bewohnervertretung, Patientenanwaltschaft, Heim- und Pflegeaufsicht, dem Arbeitsinspektorat etc kontrolliert - was anstelle von Kontrollstrukturen benötigt wird, sind tatsächliche Strukturverbesserungen. In aller Entschiedenheit weisen wir Verallgemeinerungen zurück. Die Kritik der Volksanwaltschaft nehmen wir durchaus ernst. Manchmal muss man jedoch genauer hinsehen, um verstehen zu können“, relativiert Markus Mattersberger, Präsident des Bundesverbandes der Alten- und Pflegeheime Österreichs.  

Schwer pflegebedürftige Menschen suchen viel Ruhe

Als Beispiel führt Mattersberger das „Antlitz des Alters“ an, schwer pflegebedürftige Menschen suchen viel Ruhe, Rückzugsmöglichkeit und Schlaf. Wer sich um 16.00 zurückziehen will, weil seine Konzentration für einen ganzen Tag nicht mehr ausreicht, weil ihm das schlichtweg zu viel ist, der soll das auch tun dürfen. Bei hohen Pflegestufen wird das oftmals der Fall sein. Ruhezeiten müssen daher per se keine strukturelle Schwäche sein. Zu einem weiteren Abendprogramm animiert zu werden, kann Überanstrengung und Überforderung bedeuten. Freiheit ist, dies selbst entscheiden zu können, betont Mattersberger. „Es ist niemandem geholfen, wenn die gesamte Pflegelandschaft wegen unverstandener Maßnahmen oder einzelner Negativbeispiele in Misskredit gezogen wird, das verunsichert unsere Bewohnerinnen und Bewohner und deren Angehörige, für die wir in unseren Heimen tagtäglich ein gutes, lebenswertes Zuhause sicher stellen. Und es verunsichert unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die oftmals über ihre eigenen Leistungsgrenzen hinausgehen“, so Mattersberger. In ca. 880 Heimen in Österreich sind ca. 42.000 Pflege- und Betreuungspersonen tätig, die rund 75.000 Menschen stationär betreuen, inkl. der Kurzzeitpflegegäste werden um die 84.000 Menschen betreut. Da ist jede Situation individuell zu betrachten und zu beurteilen. Die gestern im ORF getroffenen Aussage von Volksanwalt Dr. Günther Kräuter, dass die Pflegeheime zumeist börsennotiert und daher gewinnorientiert seien, widerspricht Mattersberger entschieden, „das entspricht in keiner Weise der österreichischen Norm. Hier werden deutsche Verhältnisse beschrieben, in Österreich sind ca. 25 Prozent der Einrichtungen gewinnorientiert, der Rest ist gemeinnützig“.

Welche Leistungen wollen wir in der Altenpflege haben und welche Ressourcen sind wir als Gesellschaft bereit, dafür zur Verfügung zu stellen?


Nach eingehender Lektüre des Berichtes der Volksanwaltschaft findet Mattersberger die Sichtweise der Heim- und Pflegedienstleitungen in den Alten- und Pflegeheimen in vielen Punkten wieder. Z.B. dass Demenz oder Behinderung Präsenz erfordern und hohes geriatrisches Know-how durch einen Qualifikationsmix. Die Volksanwaltschaft kritisiert, dass dieser zusätzliche Aufwand in den Personalschlüsselberechnungen nicht ausreichend abgebildet ist. Bund und Länder seien aufgefordert, den geänderten Gegebenheiten Rechnung zu tragen. „Es ist keine Frage, mit bessere Personalstrukturen können wir in der Betreuung und Pflege unserer BewohnerInnen auch eine bessere Leistung erbringen. Doch das ist eine Entscheidung der Politik und letztlich unserer Gesellschaft“, so Mattersberger. „Es ist uns bewusst, dass es genug zu tun gibt und wir ständig an Verbesserungen arbeiten müssen, dieses Bemühen findet jedoch an den Rahmenbedingen ihre Grenzen.  Auch können die Heime Systemschwächen nicht ausgleichen. Die entscheidende Frage ist: Welche Leistungen wollen wir in der Altenpflege haben und welche Ressourcen sind wir als Gesellschaft bereit, dafür zur Verfügung zu stellen? Mit den Folgen unserer Entscheidung müssen wir dann auch leben können.“ Dies gelte nicht nur für Alten- und Pflegeheime, sondern für die Altenpflege insgesamt und betrifft damit rund 450.000 PflegegeldbezieherInnen, davon leben rund 75.000 Menschen stationär in Heimen.

Abschließend stellt Mattersberger fest, dass Österreichs Alten- und Pflegeheime die Erwartungshaltungen verschiedener Überprüfungsbehörden selbstverständlich zu erfüllen bereit sind, wenn auch die Rahmenbedingungen dafür gegeben sind. Gerne greift er auch den Aufruf zu einem gesellschaftspolitischen Diskurs der Volksanwaltschaft sowie zuletzt auch der Arbeiterkammer Oberösterreich auf – „Wir stehen sehr gerne für einen großen Diskurs zur Verfügung und haben diesen bereits vor Jahren gefordert“.


Bericht der Volksanwaltschaft 2016, Alten- und Pflegeheime ab Seite 29 (Download rechte Spalte)  

Über Lebenswelt Heim
Lebenswelt Heim, der Bundesverband der Alten- und Pflegeheime Österreichs, ist ein gemeinnütziger Verein und verbindet seit 1994 unter seinem Dach ca. 850 LeiterInnen von Alten- und Pflegeheimen mit insgesamt rund 42.000 MitarbeiterInnen. Auf europäischer Ebene ist Lebenswelt Heim Mitglied der European Association for Directors of Residential Care Homes for the Elderly (E.D.E.). Lebenswelt Heim ist Partner von „Alt sein und gut leben 2050“.

www.lebensweltheim.at
http://www.ede-eu.org/de  
www.alt-sein-und-gut-leben-2050.at