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Die Amtszeit Donald Trumps wird sich noch sehr lang anfühlen.

Foto: REUTERS/Jonathan Ernst

In den vergangenen Wochen hat US-Präsident Donald Trump die weltpolitische Bühne endgültig für sich entdeckt. Das ist insofern beunruhigend, als ein gewisses Mindestmaß an Vernunft zu fehlen scheint. Wie Daniel Drezner es kürzlich ausdrückte: Trumps Berater klingen bisweilen, als würden sie ein Kleinkind hüten. Sein primäres Interesse scheint darin zu liegen, wie die Presse reagiert. Daher dürfe man ihm auch nicht mehrere Handlungsoptionen präsentieren, sondern nur eine.

Im Zuge des Wahlkampfs wirkten einige von Trumps außenpolitischen Positionen durchaus besonnen; Kritik am Irakkrieg oder dem Gedanken, andere Staaten gewaltsam demokratisieren zu können. "America First" sollte ein Ende der US-Rolle als Weltpolizist bedeuten. Noch lässt sich nicht ausschließen, dass er diesem Kurs ungeachtet seiner jüngsten Aussagen dennoch treu bleiben wird (zumindest besteht diese Hoffnung anscheinend beim "American Conservative").

Trump im Porzellanladen

Jene, die sich von ihm eine zurückhaltende US-Außenpolitik erhofft hatten, sind jedoch enttäuscht: Trump wirkt mindestens genauso interventionistisch und zum Einsatz von kriegerischen Mitteln bereit wie seine ehemalige Kontrahentin Hillary Clinton (die von Trumps Anhängern noch als "Killary" bezeichnet wurde).

Diplomatisches Feingefühl war dabei gestern, Twitter lässt nur wenig Raum für Etikette. Auch ein von seinen Beratern gebändigter Trump kann bei Staatsbesuchen, Telefongesprächen und in Tweets viel Schaden anrichten: von Syrien und dem Iran bis hin zu Nordkorea und China (um nur einige zu nennen).

Syrien

Wie genau Trump mit Syrien umzugehen gedenkt, lässt sich immer noch nicht sagen. Er scheint jeglichen Einsatz von Giftgas militärisch ahnden und die unter Obama seiner Meinung nach verspielte Glaubwürdigkeit wiederherstellen zu wollen.

Offen bleibt, ob die USA früher oder später noch weiter gehen werden, um Bashar al-Assad zu stürzen. Es wird jedenfalls wieder offensiv das Ende seiner Herrschaft gefordert. Trump hat auch keinerlei Anstalten gemacht, die Waffenlieferungen und sonstige Unterstützung an "Rebellen" – von denen niemand so genau sagen kann, ob und inwiefern sie moderat sind – einzustellen.

Zuletzt wurde der Konflikt durch die türkischen Angriffe auf die von den USA unterstützte kurdische YPG noch komplexer. Sie gilt schließlich (mit Vorbehalten) seit jeher als moderne säkulare demokratische Gruppe und als verlässlicher Partner im Kampf gegen den "Islamischen Staat" (siehe etwa diesen Bericht in der "New York Times"). Die Türkei wiederum stößt sich an ihrer Nahebeziehung zur PKK, die sie nicht an ihrer Grenze sehen will.

Trump steht somit vor einem Dilemma: Einerseits hat er den Kurden in der Vergangenheit seine Bewunderung ausgedrückt ("I'm a big fan of the Kurds"). Gleichzeitig war er der erste westliche Spitzenpolitiker, der Recep Tayyip Erdoğan zum geglückten Referendum gratuliert hat.

Iran

Der Iran ist den USA nicht nur aufgrund seiner Rolle in Syrien, sondern ganz allgemein seit jeher ein geopolitischer Dorn im Auge. Das regionale Machtspiel mit Saudi-Arabien ist in vollem Gange; während Obama hier eine allzu weitgehende US-Einmischung vermeiden wollte, hat die Trump-Regierung sich wieder aktiver auf die Seite ihrer langjährigen arabischen Partner gestellt. Insbesondere Verteidigungsminister Mattis ist für seine antiiranische Haltung bekannt. Daher könnte letztlich auch der Nukleardeal wieder gekippt werden, im drastischsten Fall folgt eine Rückkehr der Debatte über Militärschläge gegen den Iran oder gar einen Regime Change.

Nordkorea

Ebenso wollen die Spekulationen über einen (Präventiv-)Angriff auf Nordkorea nicht abreißen. Es fällt schwer, sich an die gegenseitigen Provokationen zu gewöhnen und sie als bloße Machtdemonstrationen abzutun. Zuletzt hatte Trump einmal mehr den politischen Rahmen gesprengt und davon gesprochen, Kim Jong-un persönlich treffen zu wollen (eine Steilvorlage für Comedy-Formate).

Von außen bekommt man bisweilen den Eindruck, als würde Trump derjenige sein wollen, dem der ohnehin viel zu lange US-Geduldsfaden reißt und der hier "endlich durchgreift". Gleichzeitig hat er nach einer kleinen geopolitischen Einführung durch Chinas Staatschef Xi Jinping offen eingeräumt, wie kompliziert die Causa ist. China hat hier schließlich manifeste Interessen: Einerseits hätte eine Destabilisierung Nordkoreas schwerwiegende Auswirkungen (man denke an etwaige Flüchtlingsströme). Andererseits würde durch ein geeintes Korea der Puffer zu den in Südkorea stationierten US-Truppen wegfallen.

China

Ganz allgemein sollte man auch Trumps ursprünglichen Konfrontationskurs gegenüber China nicht vergessen. Peter Navarro, der China Währungsmanipulation vorwirft, offen für eine Korrektur des US-Handelsdefizits durch Abschottung eintritt und sich sogar mit der Frage einer militärischen Konfrontation auseinandergesetzt hat, ist nach wie vor Teil seines Beraterstabs. Die nächsten vier Jahre werden zeigen, ob die USA sich mit China arrangieren oder langfristig verstärkt in die Offensive gehen werden. Konfliktpotenzial ist auf alle Fälle reichlich vorhanden.

Projektionsfläche Trump

Daneben gibt es freilich noch unzählige weitere Fragen: Man denke an nur einen möglichen Handelskrieg mit Kanada, die Mauer zu Mexiko, den US-Vorwurf, dass Deutschland die EU zu seinen Gunsten missbraucht oder die immer noch fragliche Beziehung zu Russland.

Die Amtszeit Donald Trumps wird sich noch sehr lang anfühlen; sein Zickzackkurs macht Prognosen oftmals zu Kaffeesudleserei. Damit wird er noch viel Gesprächsstoff bieten: Trump bleibt eine ideale Projektionsfläche für Mutmaßungen aller Art. (Ralph Janik, 4.5.2017)