Wien – Dem weiten Feld menschlicher Entscheidungen widmet sich eine neue Einrichtung an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien. Im "Kompetenzzentrum für Experimentalforschung" sehen Forscher verschiedener Fachrichtungen Menschen beim wirtschaftlichen Handeln zu. Wie in einem "Windkanal" können dort entscheidende Bedingungen verändert werden, sagte Ben Greiner, Ko-Leiter des Projekts.

In dem Kompetenzzentrum WULABS mit seiner Labor-Infrastruktur können die Entscheidungsprozesse von Gruppen aus bis zu 32 Versuchsteilnehmern analysiert werden. Der entscheidende Pluspunkt gegenüber der Feldforschung sei, dass hier möglichst realistische Bedingungen gezielt verändert werden könnten, so Greiner. So lasse sich etwa erforschen, unter welchen Bedingungen Menschen ihren Besitz mit anderen teilen oder wie sich Geruch auf die Wahrnehmung von Geschäften und Produkten auswirkt.

Greiner, der das Labor zusammen mit den WU-Forschern Bernadette Kamleitner und Rupert Sausgruber leitet, beschäftigt sich beispielsweise mit der Funktion von Rückmeldungen in Online-Märkten, etwa auf eBay. "In den Felddaten haben wir gefunden, dass die Wahrscheinlichkeit, negatives Feedback zurückzubekommen, bei 90 Prozent liegt, wenn jemand negatives Feedback gegeben hat", sagte Greiner. Bei positivem Feedback war es genauso. Das habe den Effekt, "dass kaum mehr jemand negatives Feedback geben wollte, weil er dann Negatives zurückbekommt. Daher fand man fast nur positives Feedback auf eBay."

Praktische Forschung

Die Forscher stellten dann im Labor einen solchen Markt im Kleinen nach. Greiner: "Das Schöne ist, dass wir eben im Labor die Regeln ändern können, ohne den ganzen Markt kaputt zu machen." Die Erkenntnisse stießen bei eBay auf offene Ohren und das Unternehmen änderte vor einiger Zeit sein Feedback-System auf Basis der Arbeit des Forschers, der im vergangenen Jahr von der australischen University of New South Wales an die WU gewechselt ist. Seither kann etwa ein Verkäufer dem Käufer kein negatives Feedback mehr geben.

Mit der aus dem Hochschulraum-Strukturmittel-Programm des Wissenschaftsministeriums vorerst über fünf Jahre finanzierten neuen Infrastruktur soll die aufkommende experimentelle Wirtschaftsforschung nun ausgebaut werden. Das Spektrum an auf dem Gebiet tätigen Disziplinen reiche von der Volkswirtschaftslehre und zunehmend der Betriebswirtschaftslehre, über die Marketing-, Finanz- oder Innovationsforschung bis zu den Rechtswissenschaften und der Informatik. Der Schritt weg von der Theorie und herkömmlichen Forschung lohne sich für viele Fachrichtungen, so Greiner. (APA, 4.5.2017)