Mütter können – oder wollen – manchmal nicht auf ihre Kinder aufpassen.

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Der 13-jährige Elias versteht sich mit seiner Mutter immer schlechter. Er ist lieber beim Vater und würde am liebsten ganz zu ihm ziehen. Nach einem schlimmen Streit packt er seine Sachen und fährt zu ihm. Der Junge ist ziemlich wütend und will unter keinen Umständen wieder mit ihr zusammen leben. Der Vater, der diesen Wunsch schon seit einiger Zeit kennt, versucht mit seinem Sohn eine gütliche Lösung zu finden. Nachdem Elias es ablehnt, mit der Mutter zu reden und wieder zu ihr zurückzugehen, kommt es zu einem Treffen der Eltern, bei dem sich die Mutter schweren Herzens entschließt, Elias bis auf weiteres bei seinem Vater leben zu lassen. So schwer ihr das fällt, es ist im Augenblick die einzige Möglichkeit, damit der Junge wieder zur Ruhe kommen kann.

Cornelia und ihr Mann trennen sich. Der Vater zieht zurück in sein Heimatbundesland. Die drei Kinder verbringen die ganzen Ferien dort und genießen das Leben auf dem Land. Hier können sie nach Herzenslust draußen sein und sich in der Natur austoben. Jedes Mal, wenn alle drei wieder zurück zur Mama in die Stadt müssen, sind sie sehr traurig. So wird das Zurückbringen immer wieder zu einem echten Problem für alle Beteiligten. Cornelia, die sich auch beruflich neu orientieren will, entscheidet nach einer heftigen Auseinandersetzung mit ihrer ältesten Tochter, dass die Kinder zum Vater übersiedeln sollen. Cornelia wird somit zur Teilzeitmutter, die mit ihren Kindern telefoniert und chattet und diese zu fest ausgemachten Zeiten ganz entspannt wiedersehen kann.

Astrid und Moritz führen seit zwei Jahren einen erbitterten Kampf um den gemeinsamen Sohn. Der inzwischen achtjährige Nino wechselt jede Woche von der Mama zum Papa. Er ist oft unglücklich, wenn die Mama-Woche beginnt, er fühlt sich bei seiner Mutter und deren neuem Lebensgefährten nicht wohl. Die Mutter weiß, dass Nino lieber beim Papa wäre. Allerdings ist Astrid nicht bereit, ihrem Ex-Mann die Obsorge zu überlassen. Sie besteht auf einer 50/50-Regelung und nimmt in Kauf, dass ihr Sohn sich nicht wohlfühlt.

Was ist eine Rabenmutter?

Ist von einer Rabenmutter die Rede, dann meinen die meisten Menschen Mütter, die ihre Kinder vernachlässigen und sich nicht oder sehr wenig um die Versorgung dieser bemühen. Manchmal spricht man aber auch von Rabenmüttern, wenn diese Frauen Entscheidungen treffen, die nicht üblich sind, wie das Verlassen der gemeinsamen Familie oder die Nichtinanspruchnahme des Lebensmittelpunkts der Kinder.

Kann es vielleicht sein, dass eine sogenannte Rabenmutter eine ist, von der man annimmt, dass sie entgegen dem Wunsch oder den Bedürfnissen des eigenen Kindes handelt? Die das Kind unbedingt bei sich behalten möchte, auch wenn sie nicht in der Lage ist, dieses optimal zu versorgen? Die ihren Nachwuchs als Druckmittel gegen den Vater der Kinder einsetzt und für die das Wohl der Kinder nicht im Vordergrund steht?

Wer kennt nicht die Geschichte von König David und den beiden Frauen, die um das lebende Kind streiten? Die eine Frau will das Kind unbedingt haben und akzeptiert, dass dieses mit dem Schwert halbiert wird, nur damit es die andere Frau nicht bekommt. Die zweite Frau stellt ihr Glück hinter das Wohlergehen des Kindes und ist bereit, es herzugeben. Welche von den beiden ist hier wohl die Rabenmutter?

Was also macht eine Rabenmutter aus?

Im Zentrum der Feststellung stehen hier die eigenen Vorstellungen, aber auch die der Gesellschaft. Während in Europa die Idee vorherrscht, dass Eltern für die Entwicklung ihrer Kinder die wichtigsten Bezugspersonen sind, gibt es andere Länder und andere Sitten, in denen sich etwa ein ganzes Dorf um den Nachwuchs kümmert oder die Kleinen sehr viel fremdbetreut werden und so das Aufwachsen und Leben der Kinder ganz anders gestaltet wird.

In der Gesellschaft wird von Rabenmüttern gesprochen, wenn Mütter ihre Kinder freiwillig jemand anderem zum Erziehen und Versorgen überlassen. Allerdings, bei genauerer Betrachtung, sind diese Mütter in ihren Möglichkeiten durchaus verantwortungsvoll. Sie sorgen dafür, dass es ihren Kindern besser geht und diese optimalere Bedingungen für das Aufwachsen vorfinden können. Wäre nicht eine Rabenmutter eine, die ihr Kind bei sich behält, trotz des Wissens und des Verstehens, dass sie es nur unzureichend versorgen kann?

Entscheidung der Frau nicht verurteilen

Es gibt viele Gründe, warum eine Mutter ihre Kinder nicht selbst betreut. Sei es, dass sie aus gesundheitlichen Gründen dazu nicht in der Lage ist und erkannt hat, dass sie erst einmal auf ihr eigenes Wohl schauen muss, bevor sie den Kindern wieder eine (gute) Mutter sein kann – oder dass sie aufgrund ihres Jobs zu wenig Zeit für die Kinder hat. Vielleicht entscheidet sie sich nach der Trennung vom Vater aber auch dafür, ihr eigenes Leben zu leben, mit einem Menschen glücklich zu sein, der vielleicht keine Kinder möchte oder ihres Berufes wegen wegzugehen und die Kinder im gewohnten Umfeld zu belassen.

Natürlich verändert sich dann die Beziehung zu den eigenen Kindern, sie wird loser, und die Mutter ist nicht mehr so eingebunden. Sie hat mit ihrer Entscheidung den Status, den sonst die Väter haben. Interessanterweise werden Männer, die ihren Nachwuchs verlassen, weil sie sich beispielsweise von der Mutter trennen, so gut wie nie als Rabenväter bezeichnet.

Niemand hat das Recht, eine Frau für ihre Entscheidung zu verurteilen. Eine solche Entscheidung muss jede Frau für sich selbst treffen. Uns ist natürlich bewusst, dass es ebenso auch sogenannte Rabenväter gibt. Uns zusätzlich mit diesem Thema zu beschäftigen, würde den Rahmen dieses Blogbeitrags sprengen.

Wie ist Ihre Erfahrung?

Was ist für Sie eine Rabenmutter? Wann ist Ihrer Meinung nach eine Frau eine Rabenmutter? Posten Sie Ihre Erfahrungen, Fragen und Ideen im Forum! (Andrea Leidlmayr, Christine Strableg, 5.5.2017)