Hanna Binder als mit Exaltiertheit gegen Einsamkeit angehende Stella auf bunter Bühne.

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Wien – Alternative Liebesmodelle sind von Goethe mehrere über liefert. Mit dem Werther hat er den Verzweiflungstod populär gemacht. Die Ehe auf Zeit propagiert er in den Wahlverwandtschaften. Wie chemische Elemente voneinander angezogenen tauschen sich dort die Partner. Eine Ehe zu dritt sollte der Weisheit letzter Schluss in Stella sein.

Denn als die Frauen Cäcilie, vor Jahren verlassen, und Stella, kürzlich verlassen, sich befreunden und dahinterkommen, dass sie denselben Mann als Schicksal teilen, muss eine Lösung her – zumal er plötzlich wieder auftaucht.

Ehehygienischer Graus

Ehehygienisch ein Graus, wurde das Stück erst verboten und dann von Goethe ins Ermahnende umgedichtet. Das Volkstheater zeigt aktuell die progressive Fassung. Damit deren libertärer Schluss nicht so unglaubwürdig daherkommt, lagert Regisseur Robert Gerloff die ganzen zwei Stunden vergnüglich-ulkig.

Und so wird Cäcilie (Bettina Ernst) beim Anblick jedes Posthorns – die Verarmende reist zur ihr bisher nicht näher bekannten Stella, um der ihre Tochter als Gesellschaft anzudienen – in Erinnerung an das andere Geschlecht etwa ganz brünstig. Der neue Kontakt soll beiden ein Auskommen sichern. Denn zwar hat der Gatte Cäcilien damals wohl mit Anstand den Hausstand überlassen, doch ist der inzwischen aufgebraucht.

Unterwegs verwaltet Doris Weiner ihren Part als Postmeisterin mit der buckelnden Freundlichkeit einer Dienstleisterin – und pflegt mit der Stieftochter (Constanze Winkler) hinterrücks so harschen Umgang, dass die bereits zuckt, wenn sich deren Hand ihr nur nähert. Als patscherter Bursch ist Winkler zudem bei der exaltierten Stella (Hanna Binder) im Einsatz.

Raffiniert und bunt

Auf der raffiniert genutzten kompakten Bühne (Gabriela Neubauer) und in zuckerlbunten Kleidern (Johanna Glawica) wird gesungen, gestolpert, der Kopf in Kamine gesteckt. Kehrt Andreas Patton als Fernando überraschend zu Stella heim, weiß er nicht, in welche Richtung die Tür öffnet, aber wie man ein Damenbein leckt. Unverhofft auch Cäcilie begegnend, ist er hin- und hergerissen.

Dass sogar übertriebene Pointen sitzen, verdankt sich dem mit Bravour und Präzision spielenden Ensemble. Günther Wiederschwinger als familienzahmes Gegen modell zum Haudegen und Sofie Gross als Cäcilies Tochter komplettieren. Wenn Letztere ein asiatisches Mahl aus Pappschachteln isst, mag das erst wie ein billiger Scherz wirken, doch war Goethe nicht Fan des Exotischen?

Diese durchdachte und zugleich so plakative Heiterkeit ist wohl sachdienlich, wenn die Produktion ab sofort durch die Bezirke tourt. Langer Applaus. (Michael Wurmitzer, 2.5.2017)