Maddies Mutter vor einem Vermisstenplakat ihrer Tochter vor zehn Jahren.

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Das Foto eines verschwundenen Kindes. Ein eloquentes, mühsam gefasstes Elternpaar, das Einzelheiten seines Weiterlebens schildert. Ein uniformierter Polizeiführer, der hoffnungsvoll von neuen Hinweisen berichtet. Wer dieser Tage britische Zeitungen aufschlägt oder Nachrichten schaut, kommt kaum um das Gefühl herum, das alles schon einmal gesehen zu haben. Tatsächlich haben sich die wesentlichen Fakten des Falles nicht verändert, der vor zehn Jahren Großbritannien und die Welt bewegte. Madeleine McCann, zum Zeitpunkt ihres Verschwindens knapp vier Jahre alt, wird noch immer vermisst und noch immer polizeilich gesucht.

Der Leiter einer aus vier Mitarbeitern bestehenden Ermittlungsgruppe hat zum Jahrestag am Mittwoch von neuen Einzelheiten gesprochen. Eine weibliche Verdächtige soll es geben. Die Boulevardblätter hieven den Fall wieder auf die Titelseite, die BBC interviewte die Eltern, die die "Hoffnung nie aufgeben" werden.

Madeleine war im Mai 2007 aus dem Urlaubsappartement ihrer Familie in Praia da Luz an der portugiesischen Algarve-Küste verschwunden, während die Eltern in einem nahen Restaurant zu Abend aßen. Seither hat es viele vermeintlich heiße Spuren in dem mysteriösen Kriminalfall gegeben, an dessen Klärung dutzende Kripobeamte, Berufs- und Hobbydetektive seit zehn Jahren arbeiten. Erst war ein vor Ort lebender Brite der Hauptverdächtige, später gerieten die Eltern selbst ins Visier der binationalen Sonderkommission: Madeleine sei bei einem Unfall gestorben, die Eltern hätten die Leiche verschwinden lassen.

Klage gegen Ermittler

Der damalige Soko-Leiter Goncalo Amaral hat nach seinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst ein ganzes Buch über diese These verfasst, gegen das sich die McCanns in einem Lissaboner Verleumdungsverfahren wehrten. Ihnen sei "amtlich bestätigt" worden, dass sie mit dem Verschwinden nichts zu tun hatten, beteuert Gerry McCann. Mehr noch: "Es gibt keinerlei Erkenntnisse, die besagen, Madeleine sei tot."

Die Reaktionen tausender Unbekannter über die Jahre beschreibt McCann diplomatisch als "das Schlimmste und Beste, was die menschliche Natur zu bieten hat". Was sich online abspielte an Verhöhnungen und Beschuldigungen kontrastieren die Eltern mit ihren persönlichen Erfahrungen: "Da haben wir viel Unterstützung, viel Gutes erfahren."

Mithilfe versierter Freunde und getragen von der Spendenfreude der Briten wandten sich die McCanns immer wieder an die Medien. Ausstrahlungen bei Aktenzeichen XY ... ungelöst und der entsprechenden BBC-Sendung brachten der Sonderkommission tausende Hinweise. Phantombildveröffentlichungen von Verdächtigen brachten keinen Erfolg.

Die Ermittler haben 40.000 Dokumente gesichtet und mit mehr als 600 Zeugen gesprochen. Die Finanzierung für die aufwendige Arbeit läuft einstweilen noch bis September, bisher lagen die Kosten allein für Scotland Yard bei mehr als rund 13 Millionen Euro. (Sebastian Borger aus London, 3.5.2017)