Bild nicht mehr verfügbar.

Leere Geschäftspassage in der Stadiou-Straße im Zentrum von Athen. Analysten zweifeln am Wachstumsziel von 2,7 Prozent dieses Jahr.

Foto: ap/Thanassis Stavrakis

Athen – Am Tag der Arbeit saßen sie im Hilton und verhandelten. Draußen zogen die Linken vorbei und Panagiotis Lafazanis, der einmal Minister für Energie und Umwelt in dieser Regierung war. Sie schwenkten die roten Fahnen und wetterten gegen das "neokoloniale Quartett" der Gläubiger im Hotel. Dann fiel die Nacht über Athen, und morgens um sechs gab ein mangels Schlaf zerknautscht aussehender griechischer Finanzminister die Meldung vom Erfolg durch: Griechenland und die Kreditgeber haben sich wieder einmal geeinigt.

Sechs Monate dauerten die Verhandlungen nach den Verhandlungen. Eine weitere routinemäßige Überprüfung der erreichten Ziele und der künftigen Finanzplanung nach dem Abschluss des jüngsten Rettungskredits vom Sommer 2015 hätte es sein sollen. Doch wie in früheren Jahren der Finanzkrise ist daraus ein zermürbender Kampf geworden. Eine Übereinkunft "ohne einen Euro mehr" an Sparmaßnahmen hatte die linksgeführte Regierung von Premier Alexis Tsipras noch vor einigen Wochen angekündigt. Am Dienstagmorgen war es ein neuerliches Sparpaket von bis zu 3,8 Milliarden Euro.

Vier Memoranden

Vier Memoranden haben die Vertreter der Kreditgeberparteien von EU-Kommission, Eurorettungsschirm (ESM), Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) mit der griechischen Regierung aufgesetzt. Athen verpflichtet sich zu neuen Sparzielen bis 2021 und darüber hinaus – also über den Zeitrahmen des Kreditvertrags hinaus, der 2015 geschlossen worden ist und eigentlich im Sommer nächsten Jahres ausläuft.

Dafür erhält der griechische Staat eine weitere Rate. Im Juli muss Athen wieder 7,5 Milliarden Euro an Schulden begleichen. 31,7 Milliarden Euro sind bisher vom Rettungskredit 2015 ausbezahlt worden; die jüngste Rate von 2,8 Milliarden im Oktober vergangenen Jahres. Auf bis zu 86 Milliarden Euro ist dieser dritte Rettungskredit seit 2010 angelegt worden.

"Viertes Sparprogramm"

Die Opposition, angeführt von der konservativen Nea Dimokratia, spricht von einem vierten Sparprogramm, das sich die Regierung aufzwingen ließ. Im Parlament will sie den neuen Sparbeschlüssen nicht zustimmen. Das lässt die Frage offen, was in Griechenland mit den neuen Kreditvereinbarungen nach einem möglichen Regierungswechsel spätestens bei den regulären Wahlen im Spätsommer 2019 geschieht.

Die neuen Verpflichtungen, die Athen eingehen will, sind sehr weit gefasst: 3,5 Prozent Haushaltsüberschuss ohne Schuldendienst von 2018 bis 2021, in den Folgejahren 1,5 Prozent; Einsparungen im Gesundheitswesen, Streichung von Beihilfen beim Heizöl, Wegfall bestimmter Begünstigungen bei der Einkommenssteuer, Senkung der Einkommenssteuergrenze um 3.000 Euro auf ein Jahressteuereinkommen von 5.681 Euro für Alleinstehende und 6.590 Euro für Familien ab 2020 – gegebenenfalls auf Wunsch des IWF auch bereits ab 2019; neuerliche Kürzungen von bis zu 18 Prozent bei den Pensionen ab 2019 (es ist die 13. Runde seit 2010); schließlich ein neuer Anlauf, verbindliche Ziele bei der Privatisierung staatlicher Unternehmensbeteiligungen festzulegen, darunter der Verkauf von Kohleminen und -kraftwerken.

Schuldenerleichterungen

Das "vorläufige technische Übereinkommen", das am Dienstag von Gläubigerseite nur allgemein bestätigt wurde, soll bis zur Sitzung der Eurogruppe am 22. Mai unter Dach und Fach sein. Davor muss die Regierung Tsipras wieder Sparbeschlüsse durchs Parlament gebracht haben. Sie hat eine Mehrheit von drei Stimmen.

Neu ist der Wiedereintritt des IWF in den Kreditvertrag der Gläubiger mit Athen. Dies öffnet den Weg für weitere Schuldenerleichterungen. Zugleich aber macht das Memorandum, das die Regierung Tsipras mit dem IWF abschließt, Auflagen für künftige soziale Ausgaben: Sie sind nur erlaubt, wenn Athen den Budgetüberschuss von 3,5 Prozent noch um 0,2 Punkte übertrifft.

Der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Athen, Gerd Dückelmann-Dublany, sieht den vorläufigen Abschluss der Kreditverhandlungen nüchtern. "Anstehende Investitionen sind infolge der durch die langwierigen Verhandlungen entstandenen Unsicherheit aufgeschoben worden", sagte der Wirtschaftsdelegierte dem STANDARD: "Zu tief saß die Sorge vor einer Wiederholung des Frühjahrs und Sommers 2015. Es ist nicht auszuschließen, dass die BIP-Prognosen der EU-Kommission von 2,7 Prozent nach unten revidiert werden müssen. Die Unternehmen setzen jetzt ihre Hoffnung auf das 2. Halbjahr." (Markus Bernath aus Athen, 2.5.2017)