München – Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) in Deutschland arbeitet alle Fälle von Gehirnuntersuchungen an Opfern des NS-Regimes mit einem mehrjährigen Forschungsprojekt auf. Nachdem in Archiven in Berlin und München Hirnpräparate von Euthanasieopfern entdeckt worden waren, werde im Juni ein Team renommierter Wissenschafter die Arbeit aufnehmen, teilte die Gesellschaft am Dienstag mit.

"Die Aufgabe ist es, alle Opfer von NS-Unrechtstaten namentlich zu identifizieren und dann auch eine belastbare Zahl der Opfer festzustellen", sagte der Münchner Historiker Gerrit Hohendorf, der an dem Projekt mitwirkt.

Tausende Hirnpräparate und Patientenakten

Für die auf drei Jahre angesetzte Arbeit stellt die MPG 1,5 Millionen Euro bereit. Auf die Forscher, darunter der Historiker Herwig Czech von der Medizinischen Universität Wien, wartet Kleinarbeit. Tausende Hirnpräparate und die Akten von vermutlich 2.000 bis 3.000 Patienten müssen überprüft werden. "Anhand der Patientenakten, sofern sie noch vorhanden sind, kann man feststellen, ob es sich um Euthanasieopfer handelt oder nicht", sagte Hohendorf.

Ziel ist es, die Geschichte der Opfer zu erforschen, die von ihnen stammenden Präparate beizusetzen und ihnen so ein Stück Würde zurückzugeben. 1990 waren Präparate aus der NS-Zeit auf dem Münchner Waldfriedhof beigesetzt worden. 2015 und 2016 wurden jedoch weitere Hirnschnitte entdeckt.

Dunkle Vergangenheit

Die Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie (DFA) als Vorgänger des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie hatte die NS-Propaganda unterstützt. Einer der Direktoren, Ernst Rüdin, wirkte maßgeblich an der Ausgestaltung des Rassenhygiene-Gesetzes mit – und war wie andere Mitarbeiter an der Ermordung psychisch Kranker und geistig Behinderter beteiligt.

Czech hatte sich auch in Österreich mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit an den heutigen Medizinischen Universitäten beschäftigt, deren anatomischen Institute von den Opfern des NS-Regimes profitierten und vielfach Leichen ermordeter Regimegegner erhielten. Die daraus entstandenen Präparate wurden nach 1945 oft noch jahrelang weiter verwendet. Vor zwei Jahren hatte der Historiker die Aufarbeitung der Weiterverwendung von Leichen in Wien als weitgehend abgeschlossen bezeichnet, an den Medizinischen Universitäten Graz und Innsbruck aber noch "großen Aufklärungsbedarf" geortet. (APA, 2.5.2017)