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"Gehen Sie bitte mal ganz zwanglos, da entlang und an der Kamera vorbei", lautet die Anweisung.

Foto: dapd / Hanz Punz

Wer im Besitz eines Fernsehers ist, kennt mit großer Wahrscheinlichkeit diese Bilder. Eine Politikerin oder ein Politiker geht vor der Kamera durch eine Halle. Immer allein, so, als wäre sie oder er im Parlament allein zu Hause. Warum, weiß man nicht. Das soll wohl Lebendigkeit suggerieren, Bewegung, aber nicht gleich so aufgescheucht wie in der TV-Serie "The West Wing". Dort sprinten verkokste Zweier- und Dreiergrüppchen durch die Gänge des Weißen Hauses, verlieren in den Kurven eine Kollegin an die Fliehkraft oder die Kaffeemaschine, bevor jemand Neuer aus einem Meeting dazu stößt.

Dieses Entlanggehen ist peinlich. Immer. Politiker sind schlechte Schauspieler. Wenigstens müssen sie sich für diese Einstellung keinen Text merken. Doch man sieht ihnen die Unsicherheit an, die Leere im Kopf. "Gehen Sie bitte mal ganz zwanglos, da entlang und an der Kamera vorbei", lautet die Anweisung. Schon werden Knie weich, Hüften steif, der Blick unsicher bis dämlich, auch bei den Herren. Niemand verfügt über das Entlanggehen-Gen. Jenes Gen, das ermöglichen würde, eine solche Prüfung würdevoll zu meistern. Nur naturlässige Typen wie Barack Obama können das ohne Schauspielschule.

Dieses Entlanggehen ist wirklichkeitsfremd. Das checkt jeder. Denn wenn wir nicht gerade am Bau Ziegel schupfen oder am Friedhof eine Grube ausheben, sitzen wir bei der Arbeit alle mehr oder weniger auf dem Hintern: im Büro, im Auto, die Sportlichen auf der Trainerbank.

Doch selbst die diesen Umstand berücksichtigende zweite Standardsituation wirkt realitätsfremd. Ein Politiker sitzt am Schreibtisch und unterstreicht irgendwas auf einem Papier. Das brüllt "Gestellte Aufnahme!". Nie ist so ein Schreibtisch unordentlich, Kaffee scheint verboten, oft läuft nicht einmal der Bildschirm, weil der im Fernsehen sonst flackert. Und dann die Bedeutungsschwere des vermeintlichen Entscheiders, den Kopf geneigt wie ein Oberlehrer beim Vergeben der Noten. In diesem Sinne: Inszenierung nicht genügend. (Karl Fluch, 30.4.2017)