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Frauen und Kinder warten im Bundesstaat Unity im Südsudan auf Hilfe und Behandlung durch Ärzte ohne Grenzen.

Foto: REUTERS/Siegfried Modola

Wenn die ersten sintflutartigen Vorboten der Regenzeit den Südsudan unter Wasser setzen, dann "wird das ein Albtraum". Diese Prognose wagt Georg Geyer, der für die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen als Logistiker im krisengebeutelten Land unterwegs ist. Dann nämlich wird die bereits spärliche Infrastruktur noch weiter beschädigt werden und den Helfern den Zugang zu der bedürftigen Bevölkerung teilweise unmöglich machen.

Durch die jüngsten Kämpfe im Land sind laut Angaben von Hilfsorganisationen zehntausende Menschen von Nahrungsmitteln, Wasser und medizinischer Hilfe abgeschnitten. Seit Februar herrscht in zwei Teilen des südsudanesischen Bundesstaates Unity offiziell eine Hungersnot. Die erste, die von den Vereinten Nationen seit sechs Jahren ausgerufen wurde. Laut UN-Schätzungen stehen 100.000 Menschen in den betroffenen Gebieten vor dem Hungertod. Bis zum Juli könnten insgesamt 5,5 Millionen Menschen von der Lebensmittelknappheit betroffen sein. Das entspricht etwa der Hälfte der Bevölkerung des jüngsten Staates der Erde. 7,5 Millionen Südsudanesen werden laut den Vereinten Nationen im heurigen Jahr irgendeine Form von humanitärer Hilfe benötigen.

3,5 Millionen Menschen auf der Flucht

Die Katastrophe ist menschengemacht und dem Bürgerkrieg im Land geschuldet, das sich 2011 vom nördlichen Nachbarn Sudan losgesagt hat. Ein Machtkampf zwischen dem amtierenden Präsidenten Salva Kiir und seinem entlassenen Vize Riek Machar stürzte das Land im vergangenen Jahr erneut ins Chaos – just vor den Feierlichkeiten zum fünften Jahrestag der Unabhängigkeit am 9. Juli.

Seitdem zwangen die immer wieder aufflammenden Kämpfe insgesamt 3,5 Millionen Südsudanesen zur Flucht, davon fliehen 1,9 Millionen Menschen innerhalb des Landes. Erst diesen Monat wurden durch Gefechte geschätzt 100.000 Personen vertrieben. Diese ständigen Fluchtbewegungen stellen die Hilfsorganisationen vor enorme Herausforderungen, erzählt Geyer dem STANDARD. Deshalb habe sich Ärzte ohne Grenzen das Konzept der mobilen Einsatzteams überlegt: "Unser Standardmodell, bei dem wir ein Krankenhaus betreiben, wohin die Leute kommen, funktioniert im Südsudan nicht", sagt Geyer. Durch die ständige Flucht können die Hilfesuchenden nicht an einen fixen Platz kommen, darum bleiben die Helfer bei ihnen.

Teams aus Südsudanesen werden von Ärzte ohne Grenzen ausgebildet, um in ihren Gemeinschaften so etwas wie medizinische Grundversorgung zu gewährleisten. Flüchtet die Gemeinschaft, flüchten die Helfer. Internationales Personal wird so oft wie möglich eingeflogen, um ein paar Tage mit den Fliehenden mitzugehen und ihren lokalen Kollegen unter die Arme zu greifen. "Doch das größte Problem ist die Sicherheitslage", sagt der Logistiker.

Helfer in Gefahr

Laut Aufzeichnungen der Vereinten Nationen sind seit Dezember 2013 etwa 82 Helfer im Land getötet worden. Laut dem UN-Koordinator für humanitäre Hilfe im Südsudan, Eugene Owusu, sind die Helfer im Land immer wieder Ziel von Attacken. "Humanitäre Helfer bezahlen mit ihrem Leben", sagte Owusu vergangene Woche vor Journalisten in der Hauptstadt Juba. In mehreren Regionen des Landes mussten Hilfsorganisationen ihre Mitarbeiter abziehen, weil das Engagement zu gefährlich wurde. Erst vergangene Woche wurden 32 Helfer in Sicherheit gebracht, nachdem Regierungstruppen eine Offensive im Nordosten des Landes gestartet hatten.

Geyer hat sich selbst nie wirklich unsicher gefühlt: "Ich vertraue auf unser Sicherheitsmanagement und auf unsere Akzeptanz in der Bevölkerung." Die sei vor allem deshalb gegeben, weil man möglichst lange bei den Betroffenen bleiben würde und sich so ihr Vertrauen erarbeiten würde, sagt der Logistiker.

Trotzdem ist der Einsatz eine große Herausforderung für die Helfer: "Natürlich leiden wir mit den Menschen vor Ort mit", erzählt Geyer. Außerdem merke man vor Ort, dass man in einem der ärmsten Länder der Welt tätig sei: "Ich war zum Beispiel in Afghanistan im Einsatz, wo man vor Ort Ärzte oder Krankenpfleger rekrutieren konnte", sagt er: "Aufgrund des niedrigen Bildungsniveaus im Südsudan ist das hier nicht möglich." Und das Niveau könnte noch weiter sinken: Laut einem aktuellen Bericht des UN-Kinderhilfswerks Unicef ist der Südsudan das Land mit der weltweit höchsten Rate von Kindern, die keine Grundschule besuchen: 72 Prozent von ihnen erhalten im Moment keine Schulbildung. (Bianca Blei, 2.5.2017)