Bregenz – Johannes Rauch, Vorarlbergs Grünen-Chef und seit Oktober 2014 Landesrat, sitzt lieber in der Regierung als auf der Oppositionsbank. "Unter dem Strich würde ich nicht mehr tauschen", sagte er der APA. Die nächste Nationalratswahl erwartet er im Herbst – und stärkt dabei Parteichefin Eva Glawischnig den Rücken.

Rauch, der seit mehr als 25 Jahren im Geschäft ist, geht von einer Nationalratswahl noch im Herbst aus. Dabei stelle sich die Frage, "wie weit Österreich nach rechts rückt". Zuweilen bemerke er derzeit einen Wettlauf darum, "wer mit der FPÖ koalieren darf". Die Grünen bereits jetzt abzuschreiben hält der 58-Jährige für verfrüht. "Warten wir ab. Ursprünglich hat auch niemand einen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen erwartet." Dass die Performance der Grünen auf Bundesebene zuletzt nur "mäßig gut" war, räumt Rauch freilich ein. Nun gehe es darum, ob es gelinge, "uns am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen". Völlig klar sei für ihn, dass das mit Parteichefin Glawischnig erfolgen werde.

Einfluss auf Entwicklungen

Der Wechsel in die Vorarlberger Landesregierung nach der Landtagswahl 2014 sei nicht einfach gewesen, so Rauch. Tauschen möchte er aber nicht mehr. Als Regierungsmitglied habe man gegenüber der Opposition einen riesigen Informationsvorsprung. Man könne Projekte auch schon in einer Phase mitgestalten, in der sie noch nicht öffentlich bekannt seien, und Einfluss auf langfristige Entwicklungen nehmen, sagte Rauch zur Halbzeit der aktuellen Vorarlberger Legislaturperiode.

Für die Zusammenarbeit mit dem Regierungspartner ÖVP habe es auf beiden Seiten einen Kulturwandel benötigt. "Die Volkspartei musste sich daran gewöhnen, nicht mehr alles alleine entscheiden zu können. Die Grünen mussten einsehen, auch als Regierungspartner nicht 100 Prozent ihrer Forderungen durchsetzen zu können", so der 58-Jährige. ÖVP und Grüne hätten rund ein Jahr gebraucht, um ihre neuen Rollen zu finden. Innerhalb seiner Partei sei die Koalition trotz der Zugeständnisse – unter anderem wurden etwa laufende Verkehrsprojekte außer Streit gestellt – breit akzeptiert. "Wenn ich das Gefühl hätte, ich kann es vor mir oder meiner Partei nicht mehr verantworten, dann würde ich es auf der Stelle lassen", unterstrich Rauch. Sein Ziel ist denn auch eine zweite schwarz-grüne Regierungsperiode bis 2024.

Streits nicht öffentlich

Als "Schlüsselereignis" für die schwarz-grüne Landesregierung nannte Rauch die Bewältigung der Flüchtlingskrise. Zum Zeitpunkt der Regierungsbildung sei nicht absehbar gewesen, "in welcher Vehemenz und Wucht das auf uns zukommt". Viele Monate lang habe man in jeder Regierungssitzung mindestens eine Stunde lang darüber diskutiert, was zu tun sei und wie man die anstehenden Probleme lösen könne. Wenn es zwischen den Parteien inhaltlich wirklich schwierig werde, "setzen Landeshauptmann Markus Wallner und ich uns zusammen. Wir haben bisher für alle Fragen eine Lösung gefunden", so der Grünen-Chef. Der Unterschied zur Bundesregierung sei, "dass wir das nicht öffentlich austragen" – was gut sei. Schließlich erwarteten sich die Bürger Ergebnisse.

Nach seiner Vision für Vorarlberg befragt, stellte Rauch das große Ganze in den Vordergrund. Es gehe darum, Vorarlberg krisenfest zu machen, und zwar als offene, demokratisch verfasste, solidarische Gesellschaft. "Wir leben in einer Zeit, in der grundlegende Werte wie die Menschenrechte oder die Demokratie infrage gestellt werden", verwies er auf die internationalen Verwerfungen. So will Rauch auch um die Gunst der Wähler kämpfen, "indem wir das Regierungsprogramm bestmöglich umsetzen und so viel Normalität wie möglich in einer immer verrückter werdenden Welt bewahren". Es gelte, Politik mit "kühlem Kopf und heißem Herzen" zu machen, nicht umgekehrt.

Flüchtlinge und leistbares Wohnen

Als wichtigste inhaltliche Themen für Vorarlberg sieht Rauch die Integration der Flüchtlinge, die Raumplanung inklusive des Themas Wohnen sowie die Balance zwischen Wirtschafts-, Lebens- und Naturraum. Für leistbares Wohnen könne die Politik begrenzt rasch Wirkung erzielen, etwa durch sozialen Wohnbau ("Wir bauen so viel wir können"), Leerstandsmobilisierung und auch höheres, dichteres Bauen. Dazu benötige es auch viel Überzeugungsarbeit in den Gemeinden, wobei höheres und dichteres Bauen Quartiersplanung bedeute, "nicht ein Hochhaus neben das andere zu stellen". Das Rheintal zwischen Bregenz und Feldkirch entwickle sich zu einer Flächenstadt mit mehreren Zentren, "das wird passieren".

Das Projekt "Rhesi" ("Rhein – Erholung – Sicherheit") werde das Rheintal "in einem Maß verändern wird wie nichts zuvor", glaubt Rauch. "Rhesi" biete den Schlüssel für eine Entwicklung des Lebensraums – allerdings befindet sich das Projekt noch in der Planung, die Umsetzung wird frühestens in einigen Jahren beginnen. Ebenso sieht Rauch die Mobilitätswende kommen, obwohl auch diese noch ein paar Jahre brauche. "Das E-Bike wird als Verkehrsmittel der Zukunft total unterschätzt. Aber es wird das Zweitauto ersetzen." (APA, 28.4.2017)